Jäger, Luchs und Wolf in Bayern

Jäger, Luchs und Wolf in Bayern

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08.04.2017

Gesehen in Freyung.

Gesehen in Freyung.

Das muss man dem Präsidenten des Bayerischen Landesjagdverbandes lassen: Er kriegt den Saal voll, und es kommen auch erstklassige Referenten zu seinen Veranstaltungen. Eineinhalb Tage lang bildete Freyung im Bayerischen Wald die Bühne für größtenteils hochkarätige, sachliche und informative Vorträge renommierter Fachleute zum Thema Große Beutegreifer – also zum Luchs am ersten, zum Wolf am zweiten Tag. So war es vorgesehen. Aber natürlich dominierte der Wolf von Anfang bis Ende.

Es gibt gerade mal etwa ein halbes Dutzend Isegrims in Bayern, noch kein Rudel, allenfalls zwei territoriale Paare. Außerdem vielleicht eineinhalb Dutzend Luchse, alle (bis auf einen bei Berchtesgaden) im Bayerischen Wald, mit trauriger Berühmtheit „gesegnet“ durch mehrere illegale Tötungen in jüngerer Zeit. Deshalb wohl die Wahl des Tagungsortes im Inneren Bayerischen Wald, den man früher mal den „Hinteren“ nannte. Was er längst nicht mehr verdient nach dem touristischen Aufschwung, den er durch den Nationalpark Bayerischer Wald erfahren hat.

Leute aus nah und fern hatten sich also in Freyung versammelt und lauschten zunächst der Begrüßung des Präsidenten des Landesjagdverbandes Prof. Dr. Jürgen Vocke. Er rief dazu auf, die Beutegreiferthematik ernst und sachlich statt emotional zu diskutieren – um dann sofort kopfüber in die alten Klischees hineinzustürzen. Die vorherrschende Farbe seiner Powerpoint-gestützten Rede war aggressives Rot, nicht nur bei blutigen Bildern gerissener Tiere (da ist Rot unvermeidlich), sondern auch als Hintergrund meterhoher Lettern seiner Botschaften. Die allerdings hätten eher Schwarz verdient. Denn der Jägerpräsident malte die Zukunft Bayerns mit Luchs und Wolf so düster er konnte. Die Rotwildgebiete in Bayern – vor dem Aus, wenn sich die Wölfe ausbreiten sollten! Das Reviersystem – dem Zusammenbruch ausgeliefert! Der Tourismus in den Alpen – in Gefahr! Die bayerische Kulturlandschaft – der Verödung preisgegeben! Und so weiter, pure Schwarzmalerei.

Zum Glück ging es so nicht weiter. Einen ausführlichen Bericht wird sicherlich die Bayerische Akademie für Jagd und Naturschutz herausbringen. Die Referenten haben es verdient. Deshalb hier nur einige wenige wolfsrelevante Anmerkungen:

Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz in Bonn, Frau Prof. Dr. Beate Jessel, richtete in ihrem engagierten Vortrag zur Beutegreiferpolitik zahlreiche falsche Vorstellungen gerade, die sich in jüngster Zeit verbreitet haben, besonders unter Politikern, die meinen, etwas zum Thema Wolf sagen zu müssen – etwa zu Obergrenzen, Eingriffsmöglichkeiten, Senkung des Schutzstatus u. dgl.

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, brachte umfängliche Überlegungen zum Management Großer Beutegreifer zu Gehör. Vieles davon längst bekannt, und so manches nicht auf der Höhe der Zeit.

Dr. Reinhard Schnidrig, BAFU Bern, stellte das Konzept der Schweiz zum Umgang mit dem Wolf vor. Die Schweiz ist nicht EU-Mitglied, daher auch nicht an die FFH-Richtlinie gebunden, ist andererseits föderalistisch organisiert, was ein bundesweit einheitliches Vorgehen wegen des starken Einflusses der Kantone erschwert. Manchen gefiel, wie in der Schweiz mit Wölfen umgegangen wird, die in Siedlungen auftauchen: Sie werden von staatlichen Wildhütern umgehend erschossen. „Pragmatisch“ nennt man das, aber für uns, die wir solche hervorragend ausgebildeten Wildhüter nicht haben und „dank“ unseres Reviersystems auch nicht haben werden, ist das kein brauchbares Beispiel. Dennoch ein Ja zu Wölfen in der Schweiz, obwohl in diesem Land voller steil aufgestellter Felsen und Berge mit zigtausenden von Schafen ein Schutz der Weidetiere angeblich gar nicht möglich ist.

Peter Pabel, Vorsitzender des Hochwildrings Göhrde, schilderte die Veränderungen im Jagdwesen, die sich durch das Auftreten der Wölfe in Niedersachsen abzeichnen. Seine Botschaft: Ja, die Wölfe nehmen den Jägern Beute weg, aber das hält sich in Grenzen. Einige Pächter von Hochwildrevieren wollen nicht weitermachen, wenn sich Wölfe in ihrem Revier einstellen, doch dem sei durchaus etwas positives abzugewinnen, weil mehr lokale Jäger zum Zug kommen können – eine Feststellung, die den bayerischen Jagdpräsidenten sichtlich ärgerte.

Durchaus kritisch diskutierte Prof. Henryk Okarma, Krakow, den Schutzstatus des Wolfes in Polen und den Nachbarländern. Frau Prof. Jessel monierte dabei die emotionale Nähe seiner Ausführungen zu Vorstellungen aus der Jägerschaft, die der passionierte Jäger Okarma in einer sehr persönlichen Antwort nicht bestritt.

Das Schlussreferat, erst nach der Fertigstellung des Programms eingeschoben, war dem Leiter der Unterabteilung Forstwirtschaft im Bundeslandwirtschaftsministerium Dr. Axel Heider vorbehalten. Eine Rede sehr nach dem Munde so mancher (beileibe nicht aller) Teilnehmer aus Jägerkreisen, freilich wiederholt unscharf, zumindest missverständlich hinsichtlich der Möglichkeiten, die den Jägern in einem künftigen Populationsmanagement der Wölfe zufallen könnten oder sollten. Deshalb war neben beifälligem Gemurmel auch reichlich Kopfschütteln im Publikum vernehm- und sichtbar.

Besondere Aufmerksamkeit erregte der Ministerialdirigent mit dem Foto eines von einem Wolf (oder von Wölfen) schwer verletzten Jagdhundes, als er über die Jagdausübung in den Wolfsländern sprach – mit dem Kommentar „in Brandenburg.“ Mir ist bis heute aus ganz Deutschland kein einziger dokumentierter Fall von einem während der Jagdausübung von Wölfen verletzten Hund bekannt. Meine umgehenden Recherchen in Brandenburg und Sachsen erbrachten dasselbe Ergebnis – nämlich keins.

Man darf sich schon fragen, was sich der Herr Ministerialdirigent Dr. Heider dabei gedacht hat, als er dieses Foto im Zusammenhang mit „Jagdausübung“ herzeigte.

Unterschrift UW 30

 

 

PS Seit dem Auftreten der Wölfe in Deutschland im Jahr 2000 gab es zwei dokumentierte Zwischenfälle mit Hunden: Im Februar 2002 wurde die Terrierhündin von Franz Graf Plettenberg, Bundesforsten, von der territorialen Wölfin des Muskauer Rudels angegriffen und getötet. Und am 31.10.2014 wurde die Tiroler Bracke des Forstbeamten Ueckermann auf dessen Hof in der Uckermark in eine Beißerei mit einem Wolf verwickelt. Sie überlebte mit schweren Verletzungen.

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