Was treibt Gustav um?

Was treibt Gustav um?

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21.05.2019

Gustav – beim Fang sieben Monate alt, groß und kräftig. Foto Michler

„Gustav“ war am 08.12.2018 in der Oranienbaumer Heide gefangen und mit einem Halsbandsender versehen worden. Am 15.03.2019 hat sich der junge Rüde aufgemacht und auf eine zügige Wanderung Richtung Norden begeben. Drei Tage später durchquerte er morgens bei Aken die Elbe. Die folgende Nacht lief er durch das intensiv landwirtschaftlich genutzte Zerbster Land und kam schließlich am 19.03. um 04:00 nordöstlich von Magdeburg an.

Nun wurde der Sender von ursprünglich 2 h auf 30 min herunter getaktet, so dass anhand der übertragenen Daten ein deutlich höher aufgelöstes Raumnutzungsprofil gewonnen wurde.

Fast schon unterwegs nach Dänemark, dann kehrt Marsch in die Schorfheide: Weiß Gustav, wohin er will? Die unterschiedliche Farbgebung dient nur der Orientierung des Betrachters. Grafik: Zimmermann.

In den ersten drei Tagen hat Gustav über 80 km zurückgelegt. Am 19.03. überquerte er gegen 05.00 Uhr die A2 und lief dann noch bis 11.00 Uhr vormittags über 20 km geradlinig nach Norden. Abends wanderte er weiter östlich entlang der Elbe nach Norden und erreichte gegen Mitternacht die Klietzer Heide. Bis 07.00 Uhr morgens blieb er auf dem Truppenübungsplatz Klietz, dann lief er weiter bis 11.00 Uhr. Am Abend gegen 20.30 Uhr trabte er unmittelbar am Elbufer weiter nach Norden, überquerte gegen 22.30 Uhr nördlich von Havelberg die Havel, passierte den Truppenübungsplatz Glöwen in Brandenburg und erreichte um 01.00 Uhr nachts einen Waldkomplex östlich von Wittenberge. Inzwischen hat der knapp elf Monate alte Rüde ca. 250 km Luftlinie zurückgelegt.

In der dritten Abwanderungsetappe (21.-28.03.2019) kamen weitere gut 150 km hinzu. Er startet seine nächtlichen Aktivitätsphasen stets gegen 19.00 Uhr und ist dann bis weit in den späten Vormittag hinein aktiv. Am 21.03. umlief er Perleberg, durchquerte die Stepenitz, überquerte diverse Bundesstraßen und Bahngleise sowie die A14 und erreichte am 22.03. um 06.00 Uhr morgens Mecklenburg-Vorpommern. Am Vormittag lief er weiter nach Norden, überquerte gegen 10.00 Uhr (!) bei Stolpe die A24 und übertagte dann nördlich der A24 in einem Waldkomplex. Am Abend lief er weiter in Richtung Norden an Parchim vorbei und blieb dann vom 24. bis 28.03. am Schweriner See. Zuletzt kam er auf der Höhe von Wismar an.

Nach einem Besuch der Ostsee bei Kühlungsborn am 29.03. ist Gustav wieder nach Süden gelaufen, überquerte die A20 am Morgen des 30.03. ein weiteres Mal und lief dann vergleichsweise langsam bis in die Lewitz. Hier blieb er vom 04. bis 07. 04. und lief dann flott (> 50 km pro Nacht) in Richtung Westen. Dabei erreichte er nördlich von Lübtheen die Landesgrenze zu Niedersachsen und lief weiter nach Schleswig-Holstein. Dort überquerte er ein weiteres Mal die A24, lief durch die Hahnheide, überquerte die A1 und betrat bei Wohldorf-Ohlstedt die Freie und Hansestadt Hamburg.

Nach seinem zweiwöchigen Ausflug durch Schleswig-Holstein (08.bis 23.04.2019) bis nach Dithmarschen und einem Besuch von Lübeck hat der Rüde am 23.04. wieder Mecklenburger Boden betreten und lief dann relativ geradlinig nach Südosten. In der Nacht vom 29. auf den 30. April kam er bei Wittstock/Dosse nach Brandenburg. Nun hat er die Schorfheide erreicht. Während seiner bisherigen Wanderung (15.03.-03.05.2019) hat der Senderrüde 22mal Bundesautobahnen gequert. Zuletzt hielt sich Gustav relativ stabil nordöstlich von Schwedt grenznah auf polnischer Seite an der Oder auf.

Die Besenderung von Gustav erfolgte am 08.12.2018 im Rahmen des Projektes “Interaktionsverhalten von Wölfen und Megaherbivoren (Heckrinder, Koniks) auf großen extensiven Ganzjahresweiden am Beispiel der Naturerbefläche Oranienbaumer Heide in Sachsen-Anhalt.“ Dabei handelt es sich um ein Kooperationsprojekt der Hochschule Anhalt in Bernburg (für die Weidetiere zuständig) und der Hochschule (HNE) Eberswalde (für den Wolfspart zuständig).

Gustavs anscheinend ziellose Wanderung kann man mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen: Für das Forschungsprojekt ist er verloren; denn eine Interaktion mit den Weidetieren von Oranienbaum wird er ja nicht mehr haben. Andererseits reichert er unsere Kenntnisse über das räumliche Verhalten abwandernder Jungwölfe durch einen originellen Datensatz an. Ein Dankeschön an Frank-Uwe Michler, der die Besucher von Wolfsite an dem aufregenden Geschehen teilhaben läßt! uw