Feuer frei auf Wölfe?

Feuer frei auf Wölfe?

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26.05.2019

Vier Tage vor der Europawahl, am 22.05. war das der Hit in den Nachrichten: Jetzt dürfen Wölfe geschossen werden! Ist das der Anfang vom Ende des Märchens, der Rückkehr von Isegrim nach zweihundert Jahren? Viele Wolfsfreunde haben die knappe Meldung so aufgefasst. Meinten, jetzt dürfe hemmungslos auf die Wölfe gefeuert, dürften Rudel „zerschossen“ werden, die Bundesregierung wolle die Wölfe wieder ausrotten mit diesem „Wahnsinnsgesetz“, das waren noch die harmloseren Vorwürfe. Einige davon in einer unerträglichen, jedes akzeptable Maß überschreitenden rüden Sprache vorgetragen, z. B. von „Wolfsteamleiterin“ Ariane Müller auf Wolfsschutz Deutschland oder Jens Feeken auf seiner eigenen Website. Die Leute haben schlicht den Text nicht gelesen.

Sinnlos totgeschossen.

Genauer hingesehen haben einige bekannte Wolfsgegner wie z. B. Wendelin Schmücker oder Peter Brandt. Ihre Empörung über den Gesetzesentwurf steht dem der Wolfsfreunde in nichts nach, schon gar nicht im Ton. Ihnen geht der Entwurf des Bundeskabinetts nicht weit genug (übrigens auch nicht der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner). Beide Seiten haben sich über etwas aufgeregt, das den Wölfen kaum schaden, den Weidetierhaltern aber auch nicht nutzen wird. Das ganze entpuppt sich als ein durchsichtiges Manöver vor der Wahl, gegen die AfD, die das Thema Wolf für sich reklamieren möchte.

Die Wolfsfreunde haben übersehen, dass die Rang- und Reihenfolge „erst schützen – dann schießen!“ nach wie vor ihre Gültigkeit hat: Erst wenn zumutbare Herdenschutzmaßnahmen nicht zum Erfolg führen, darf eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme erteilt werden. Zu denken gibt allerdings, dass manche Entscheidungsträger ihre ganz eigenen Vorstellungen davon haben, was zumutbarer Herdenschutz bedeutet. In Niedersachsen hat Umweltminister Olaf Lies einen Herdenschutz für Rinder schlicht für obsolet erklärt. Wenn solche Beispiele Schule machen und Herdenschutz für entbehrlich gehalten wird, können wir uns von den Wölfen in der Tat verabschieden; aber nur dann!

In der ZDF-mediathek kann man sich einen Beitrag der Satiresendung „Heuteshow“ zum Thema anschauen (ab Minute 31).

Unter AKTUELL habe ich versucht, die beschlossene Gesetzesänderung zu erläutern. Mir scheint, der Käse ist noch lange nicht gegessen. Sicher ist, dass die Suppe stark abgekühlt sein wird, bevor sie auf den Tisch kommt. Denn die Europawahl ist vorüber.

Nun aber – was tun?

Das Umweltressort hat die Tür für Eingriffe einen Spalt weit geöffnet. Da wäre es nun an der Zeit, auch vom Landwirtschaftsressort einen Schritt zu vernünftigen Lösungen einzufordern. Und der kann nur in einer deutlichen Verbesserung und großzügigen Förderung des Herdenschutzes liegen.

Guter Herdenschutz ist freilich mehr als nur die Ausschüttung von Geldern an die Weidetierhalter. Geld allein löst kein Problem. Hier ein paar Ideen, was wir dringend brauchen:

Ein Netzwerk von Wolfsberatern.

Ihr Auftrag: Monitoring, Beratung im Herdenschutz, Kontrolle der Schutzmaßnahmen, Information von Bevölkerung und lokalen Medien.

Voraussetzungen: Positive Einstellung zur Rückkehr der Wölfe; Ausbildung und regelmäßige Fortbildung.

Das sind deutlich höhere Anforderungen als bisher. Aber ich bin überzeugt – es lohnt sich. Gute Wolfsberater stellen eine wichtige Verbindung dar zwischen dem Wolfsmanagement „oben“ und den betroffenen Menschen „unten.“

Ein Bundeszentrum für Herdenschutz.

Darüber wird diskutiert, seit in Sachsen der erste Wolfsmanagementplan entwickelt wurde – also seit fast zehn Jahren. Bei einem Herdenschutzzentrum sollten alle Stränge zusammenlaufen, die mit dem Schutz der Weidetiere zusammenhängen. Ich würde mir als erstes wünschen, dass man sich umgehend an die Auswertung der Rissstatistik macht. Sicherlich wäre das auch ein lohnendes Thema für eine Bachelor-Arbeit.

Neuralgische Gebiete wie Deiche, Steillagen u. dgl. sollten fachlich begutachtet und Empfehlungen formuliert werden.

Auf meiner Wunschliste wären außerdem Jahresberichte der Bundesländer über das Wolfsgeschehen für die Bevölkerung.

In den nächsten Ausgaben von Wolfsite will ich über diese Anliegen ins Detail gehen. Die meisten, das ist unschwer erkennbar, richten sich an das Landwirtschaftsressort. Dort muss endlich Schluss sein mit der Hinhaltetaktik gegen die Wölfe. Den Sorgen der Weidetierhalter muss mit konkreten Unterstützungsmaßnahmen Rechnung getragen werden, nicht mit Pulver und Blei. Schließlich ist nicht nur der   Umweltsektor, sondern auch der Landwirtschaftssektor dem übergeordneten Ziel verpflichtet, die Rückkehr der Wölfe zu dulden.