Purer Aktionismus – die „Schießerlaubnis“

Purer Aktionismus – die „Schießerlaubnis“

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28.05.2019

Das Kabinett hat beschlossen, eine „Entnahme“ (sprich Abschuss) von Wölfen, die „ernste,“ nicht (nur) „erhebliche“ Schäden anrichten, zu erleichtern. Wenn der für die Schäden „zuständige“ Wolf individuell nicht identifiziert werden kann, können auch andere Tiere des Rudels (sofern es sich um ein Rudel handelt) geschossen werden. Und zwar so lange, bis die Übergriffe aufhören. Dies soll in räumlicher und zeitlicher Nähe zum Schadensereignis geschehen.

Schießen – bis die Schäden aufhören? Foto Nitsch

Bisher standen für Entnahmen nur einzelne Wölfe im Fokus, die zweifelsfrei (durch genetische Analysen) identifiziert waren. Nur diese, keine anderen kamen für eine Entnahme (sprich Abschuss) in Frage. Das gipfelte in der Vorstellung, der für die Schäden „zuständige“ Wolf müsse im Augenblick des Abschusses eindeutig identifiziert sein. Das heißt, er musste praktisch „in flagranti“ bei einem Übergriff erkannt und erwischt werden. Dieses Vorgehen war von Anfang an praxisfremd. Man stelle sich vor, ein Schütze sitzt in der Dämmerung, gar in dunkler Nacht an einer Weidefläche auf einem Hochsitz und soll nun, im Getümmel angreifender Wölfe und durcheinanderrennender Schafe, einen Wolf erkennen, der sich äußerlich auch bei Tageslicht so gut wie nicht von seinen Rudelgenossen unterscheidet. Dass die Wirklichkeitsferne dieser Regelung (genau genommen war es gar keine, sondern blieb dem Ermessen der Behörden überlassen) nicht schon viel früher diskutiert wurde, hängt damit zusammen, dass es so gut wie keine „Problemwölfe“ beim Schutz der Weidetiere gab. Und dies, nebenbei bemerkt, nach mittlerweile etwa 400 Rudeljahren.

Dass es, wenn die Gesetzesänderung erstmal in Kraft getreten ist, nicht zu den von Wolfsfreunden befürchteten Abschüssen größeren Stils  kommen wird, verhindert die FFH-Richtlinie. Sie fordert, dass geeignete Schutzmaßnahmen eingeleitet werden müssen, bevor überhaupt eine Ausnahmegenehmigung zur Entnahme erteilt wird. Das Bundesnaturschutzgesetz hat diese Forderung in § 45 aufgenommen. Dort heißt es: „Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind …“. Sicherlich wird man auch darüber streiten, was „zumutbare“ Alternativen sind.

Herdenschutzhunde sind nicht für jeden Schafhalter eine zumutbare Maßnahme.

Erst wenn das nicht hilft, kann als letztes Mittel eine Freigabe zum Abschuss erfolgen. Also eine klare Rang- und Reihenfolge: Erst Schützen – dann Schießen. Jeder Fall ist dabei als Einzelfall zu behandeln, es gibt keinen Automatismus. Dabei wird u. a. auch abzuwägen sein, ob es sich um „ernste“ oder (nur) „erhebliche“ Schäden handelt. Auf die Auseinandersetzungen darüber darf man heute schon gespannt sein.

Sicher ist, dass nicht nur die unvermeidlichen Rechtsstreitigkeiten, sondern auch der bürokratische Aufwand und der Einsatz von geeigneten Schützen ein Mehrfaches der Kosten verursachen wird, die man für bessere Schutzmaßnahmen aufwenden müsste. Wird die Forderung der FFH-Richtlinie ernst genommen, dann wird in kritischen Situationen eine Intensivierung des Herdenschutzes in den meisten Fällen Abschüsse ohnehin entbehrlich machen. Diese Erfahrung hat man in Sachsen bereits mehrmals gemacht.

Der Agrarministerin Julia Klöckner geht das alles immer noch „nicht weit genug.“ Sie will die „Entnahme einer begrenzten und behördlich spezifizierten Anzahl von Wölfen unter strenger Kontrolle, selektiv und in beschränktem Ausmaß“ zulassen, auch wenn es keine Schäden an Nutztieren gab – sprich, der Abschuss soll auch vorbeugend erlaubt werden, nicht erst als Reaktion auf Schäden. Das wäre ein Eingriff nach dem Gießkannenprinzip, vorbei an einer Konfliktlösung, nebenbei auch nicht praktikabel – oder kann uns Frau Klöckner erklären, wie sie sich eine „selektive Entnahme“ vorstellt bei Wölfen, die alle gleich aussehen?

Füttern und Anlocken wilder Wölfe wird durch die Gesetzesänderung übrigens verboten, und Mischlinge aus Wolf und Hund sollen geschossen werden.