Sehr geehrter Herr Minister Lies,

Sehr geehrter Herr Minister Lies,

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20.04.2019

Schon wieder haben Sie Ärger mit den Wölfen. Sie lassen nichts unversucht, damit der Rodewaldwolf „entnommen“ werden kann. Die Beweislage ist dünn, und die FFH-Richtlinie bietet keine Handhabe für diesen Eingriff. Der wirtschaftliche Schaden, den man dem Wolf GW717m anlasten kann, ist mit etwa 2.200 Euro lächerlich gering im Vergleich zu den Kosten, die für das Land bereits aufgelaufen sind. In Geld nicht zu messen ist der Schaden, den das Ansehen Ihres Ministeriums durch diesen unsäglichen Vorgang genommen hat. Ein Ende der Misere ist noch lange nicht in Sicht.

Gerissenes Ponyfohlen.

Mir liegt es fern, diesen Wolf, der zweifellos einiges auf dem Kerbholz hat, unter allen Umständen zu verteidigen. Ich habe Verständnis dafür, dass ein Politiker gelegentlich eine fragwürdige Entscheidung treffen muss, und sei es nur deshalb, weil ihm sein „Bauchgefühl“ das nahelegt. Überdies kommt es vor dem Hintergrund von rund 800 Wölfen und der steilen Populationsentwicklung in der Tat auf den einen oder anderen Wolf nicht an. Mein Verständnis für solche Entscheidungen hört auf, wo bestehendes Recht gebrochen oder gebogen wird. Es hört auf, wenn fragwürdige Entscheidungen ohne Not gegen fachlichen Rat getroffen werden. Es hört auf, wenn sich ein Politiker anmaßt, fachlich unhaltbare Ansichten zu vertreten und sodann mit genau diesen Ansichten seine Entscheidungen begründet. Sie wollten schon an dem Steinfeldwolf ein Exempel statuieren, nun soll der Rodewaldwolf dafür herhalten. Wolfsmanagement, Wolfspolitik stelle ich mir anders vor.

Im Fall des Rodewaldwolfes besteht so viel Klärungsbedarf, dass sich Ihr Haus zu einer öffentlichen Klarstellung veranlasst sieht („Häufig gestellte Fragen und Antworten zur aktuellen artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung zur Entnahme des Wolfsrüden GW717m“). Das spricht Bände. Es zeigt, dass Sie Ihre Entscheidung zur Entnahme des Wolfes vorschnell getroffen haben. Vor allem aber offenbart Ihre Begründung eklatante Mängel im Verständnis von Wölfen wie auch von Weidetieren (siehe AKTUELL).

Besonders enttäuschend, Herr Minister, empfinde ich Ihren Umgang mit den Wolfsberatern (darunter viele ehrenamtliche) und dem Arbeitskreis Wolf. In einem ersten Offenen Brief vom 19.11.2018 stellt Ihnen der AK Wolf einige Fragen, wie man sich künftig das Wolfsmanagement in Niedersachsen vorstellt. Zehn Tage später hakt der AK Wolf nach. Weder diese beiden Briefe noch einen dritten vom 23.01.2019 von 15 Wolfsberatern, die einige kritische Fragen zum Rodewaldwolf stellen, haben sie bisher beantwortet. Gewiss hätte der Tonfall des einen oder anderen Schreibens ein wenig verbindlicher sein können – aber als Politiker können Sie das ab, und dass viele Wolfsberater schlecht gelaunt sind, weil Sie von Ihnen wie Luft behandelt werden, ist nur allzu verständlich. Bei seinen „Antworten auf häufig gestellte Fragen“ ist Ihr Haus auf den Inhalt kaum eingegangen. Nun ist zu hören, dass einige der 15 Unterzeichner ihren Einsatz einstellen wollen. So verlieren Sie Ihre besten Leute.

Niemand, Herr Minister, kann von Ihnen ernsthaft verlangen, dass Sie über Wölfe gründlich Bescheid wissen. Aber gerade dann muss man von Ihnen erwarten, dass Sie sich kundig machen und beraten lassen. Sie haben eine Fachbehörde, die das leisten kann und in kniffligen Fragen auch über die Kontakte verfügt, um sich Rat von außen zu holen. Aber deren Empfehlung, GW717m in Anbetracht der schwachen Beweislage und der rechtlichen Fragwürdigkeit nicht zu entnehmen, haben Sie in den Wind geschlagen.

Sie haben eine Mannschaft von über 100 Wolfsberatern, von denen einige sehr gute Kenntnisse von der Wolfssituation vor Ort haben. Die sind Ihnen nicht einmal eine Antwort wert. Und schließlich haben Sie Zugriff zur Website DBB Wolf, die ausdrücklich als Entscheidungshilfe für solche Fälle geschaffen wurde. Aber Sie haben die DBB Wolf kein einziges Mal kontaktiert.

Noch einmal: Es geht nicht darum, einzelne Wölfe unter allen Umständen zu verteidigen. Es geht darum, den Weidetierhaltern unter die Arme zu greifen. Es geht außerdem um das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Politik im Umgang mit dieser Tierart, die auf dem Weg zurück ist und uns vor Probleme stellt. Mit einem kompetenten Wolfsbüro, zahlreichen angesehenen Wolfsberatern und nicht zuletzt der DBB Wolf sind Sie in der beneidenswerten Lage, überzeugende Entscheidungen zu treffen. Leider ziehen Sie populistische Maßnahmen vor, die letzten Endes keine Hilfe für die betroffenen Tierhalter bringen. Und Sie gehen den falschen Beratern auf den Leim. Niedersachsen leistet zu einem guten Wolfsmanagement derzeit leider kein positives Beispiel.