Rodewaldwolf: mehr Fragen als Antworten

Rodewaldwolf: mehr Fragen als Antworten

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11.04.2019

Das niedersächsische Umweltministerium sieht sich veranlasst zu begründen, warum der Rodewaldwolf GW717m entnommen werden soll. Die Stellungnahme wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Hier ein kurzer Kommentar für Schnellleser.

In der Erklärung des Ministeriums wird behauptet, dass große Weidetiere (z. B. Rinder) ausreichend gegen Wölfe geschützt seien, wenn sie sich im Herdenverband mit genügend älteren Tieren befinden. Herdenschutzmaßnahmen seien deshalb nicht erforderlich. Diese Behauptung bildet den Kern der Ausnahmegenehmigung zur Entnahme des Wolfes GW717m. In der Fachliteratur finden sich dafür keine Belege, in anderen Wolfsmanagementplänen kommt diese Auffassung nicht vor. Das Niedersächsische Umweltministerium steht damit alleine da. Die Ansicht ist falsch.

Dass bei Rindern auf Herdenschutzmaßnahmen meist verzichtet wird, liegt nicht am „Schutz“ durch andere Herdenmitglieder, sondern an dem unverhältnismäßigen Aufwand zwischen Herdenschutz einerseits (bei Mutterkuhherden hunderte Meter Zaun, elektrifiziert, fünf Litzen!) und dem vergleichsweise geringen Risiko andererseits, gelegentlich ein frisch geborenes Kalb, noch seltener ein junges Rind an die Wölfe zu verlieren.

Rinder in der Herde – das ist ein Zustand, aber keine Herdenschutzmaßnahme. Im Fall des Rodewaldwolfes drückt sich das niedersächsische Umweltministerium um die Anforderung der FFH-Richtlinie, alle Alternativen des Herdenschutzes einzusetzen, bevor ein Wolf entnommen wird. Schutzmaßnahmen, die gegen den Wolf GW717m ergriffen werden sollten bzw. könnten, werden gar nicht erwähnt.

Vierzig Weidetiere soll GW717m auf dem Gewissen haben, darunter allerdings zahlreiche ungeschützte Schafe. Weil Risse nur dann finanziell entschädigt werden, wenn der Standardschutz eingehalten wurde, war die ausbezahlte Schadenssumme mit etwa 2.200 Euro gering. Sie beträgt mit Sicherheit nur einen kleinen Bruchteil der Kosten, die dem Land inzwischen durch die Aktivitäten im Zusammenhang mit GW717m entstanden sind.

Weiter unterstellt das Ministerium, dass die Mitglieder des Rodewaldrudels (es besteht aus drei Tieren) das Verhalten des problematischen Rüden angenommen hätten. Das ist reine Mutmaßung, ohne Belege vor Ort, ohne Stütze in der Fachliteratur. Trotzdem folgert das Ministerium, die Entnahme des Rüden sei „aus artenschutzrechtlichen Gründen“ geboten, weil nämlich die Rudelmitglieder dieses Verhalten nicht nur annehmen, sondern auch weiter verbreiten könnten, zum Schaden für die Akzeptanz von Wölfen schlechthin. Mit dieser Argumentation kann man vorauseilend jeden Wolf erschießen – denn jeder kann ein solches Verhalten entwickeln!

Das Ministerium erwähnt in diesem Zusammenhang „entsprechende Erfahrungen.“ Man wüsste gerne, wer die gemacht hat und wo darüber berichtet wird.

Auf die Frage, wie man sicherstellen will, dass der „richtige“ Wolf entnommen wird, stellt das Ministerium fest, der Rüde habe „geschlechts- und altersentsprechende Merkmale, die ihn von den anderen Rudelmitgliedern unterscheiden.“ Kein Zweifel, die hat er – nämlich einen Penis sowie ein Gebiss, das eine altersmäßige Zuordnung erlaubt. Nur – sieht man diese Merkmale in freier Natur? Und sind sie geeignet, den Wolf draußen als GW717m zu identifizieren?

Mal sehen, ob man des Rodewaldwolfes überhaupt habhaft wird. Dann wollen wir diese Merkmale gerne sehen. Wenn nicht, dann wird uns das Ministerium darüber aufklären. Bestimmt! uw