Aus Mangel an Beweisen
09.12.2018
Der DNA-Test des Instituts Senckenberg an sieben Proben hat keinen Nachweis dafür ergeben, dass bei dem ominösen „Wolfsangriff“ in Steinfeld ein Wolf beteiligt war. Es wurden Katzen- und Hundehaare am Pullover des betroffenen Arbeiters nachgewiesen. Nichts an dem Hammer, mit dem er dem Tier auf die Pfote gehauen hatte. Vor der Presse betonte Umweltminister Olaf Lies (SPD) zum wiederholten Mal, er habe sich „ein anderes Ergebnis des Tests gewünscht.“ Denn „wären Wolfsspuren festgestellt worden, wäre eine Tötung unumgänglich gewesen.“
Hier der Link zum Pressegespräch: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Wolfs-Attacke-Spuren-liefern-keinen-Nachweis,pk180.html
Der Umweltminister erläuterte, wie er sich diese Tötung vorgestellt hätte. Dann wäre geschossen und/oder gefangen worden. Letzten Endes das ganze Rudel, Eltern und sieben Welpen, also neun Tiere. Nur wenn die Analyse von Steinfeld eine Individualisierung, einen „genetischen Fingerabdruck“ des Beißers ergeben hätte (was nur selten gelingt), hätte man jeden erlegten bzw. gefangenen Wolf daraufhin überprüfen können, ob er „der richtige“ ist. Also erst schießen, dann vergleichen. Bzw. erst fangen, dann Probe nehmen und vergleichen (inzwischen den Wolf in ein Gehege sperren und je nach Ergebnis entweder töten oder freilassen). Solange man den Übeltäter nicht hatte, wäre weiter geschossen bzw. gefangen worden. Letzten Endes hätte dabei das gesamte Rudel dran glauben müssen.
Die Wölfe bei Gnarrenburg sind bisher nicht unangenehm aufgefallen. Sie haben Glück gehabt. Denn einer Verfolgung durch den eifrigen Umweltminister sind sie nur mangels Beweises entgangen. Aber – auch wenn es unwahrscheinlich ist: Bei der gegenwärtigen Beweislage kann ein Wolf nicht ausgeschlossen werden. Dann wäre das Procedere in Gang gesetzt worden, das der Umweltminister beschrieben hat.
Was wäre wenn…?
Stellen wir uns einmal vor, die DNA-Analyse hätte einen Wolf ergeben. Wie kann man sich den Hergang des Geschehens erklären? Etwa so: Jetzt ist die Zeit, da sich die Welpen, äußerlich kaum von erwachsenen Wölfen zu unterscheiden, gerne mal selbständig machen und das Territorium ihrer Familie erkunden. Sie sind naiv, neugierig, unternehmungslustig und unerfahren. Sie geraten auch mal in eine Siedlung. Sie führen nichts Böses im Schilde. Menschen, diese eigentümlichen aufrechten zweibeinigen Gestalten, sind ihnen nicht geheuer, auch nicht unbedingt Furcht einflößend. In ihr ererbtes Bild vom Beutetier passen sie nicht hinein. Aber selber ist man nicht Fluchttier, sondern großer Beutegreifer, deshalb rennt man auch nicht gleich Hals über Kopf davon. Soviel zur Gemütslage eines Jungwolfes, wie ich sie mir vorstelle.
Und nun hockt da eine Gestalt an einem Zaun, die man nicht einordnen kann. Bewegt sich. Ist nicht aufrecht. Sieht nicht aus wie ein Zweibeiner, auch nicht wie ein mögliches Beutetier. Das schaue ich mir doch mal näher an …
So könnte ich mir eine Begegnung junger Wölfe mit Menschen bei uns vorstellen. Mit einem „Angriff“ hat das nichts zu tun. Sollte es in Steinfeld so abgelaufen sein – dann liegt hier eher ein Missverständnis auf Seiten des Wolfes vor: Er ergreift den Unterarm des Mannes. Der schlägt ihm mit einem Hammer auf die Pfote, und der Wolf haut ab. Ein „Angriff“ wäre völlig anders abgelaufen. Da wäre der Mann nicht erst am nächsten Tag und nur auf Zureden anderer Leute zum Arzt gegangen.
Dies ist lediglich eine hypothetische Vorstellung, auch deshalb, weil sich das Territorium des Gnarrenburger Rudels (ein anderes kommt nicht in Frage) zu weit entfernt von Steinfeld befindet. Aber ein solcher Fall kann eintreten. Was ist dann die angemessene Reaktion?
Sicher nicht das Abschießen von einem Wolf nach dem anderen, bis das Ergebnis „passt“. An eine Vergrämung hat der Minister erst gar nicht gedacht – obwohl dieses Tier bereits so gründlich vergrämt worden ist, wie man sich das nicht einmal vorstellen konnte – Hammer auf die Pfote! Also wäre abzuwarten, wie der Wolf/die Wölfe darauf reagieren (ich wollte nachsehen, was denn im Wolfskonzept des Landes dazu zu lesen ist, aber das ist aus dem Internet verschwunden).
Fangen, bis man den richtigen hat? Eine absurde Idee, nicht zu Ende gedacht, aber typisch für Olaf Lies, wie so vieles, was er in seiner einjährigen Amtszeit als Umweltminister über Wölfe bisher abgesondert hat.
Nun ist ihm auch noch eingefallen, die Wölfe des Gnarrenburger Rudels zu besendern, um – ja warum? In dem Pressegespräch hat er eine ganze Reihe von Einwänden gleich selber aufgeführt. Wozu dann das Ganze? Solch ein Gedankensalat kommt raus dabei, wenn man den Kopf ausschaltet, sich fachlich nicht beraten lässt und einem vermeintlichen Volkswillen hinterher hechelt: Populismus.
Immerhin weiß nun jeder, was Olaf Lies darunter versteht, gegenüber den Wölfen „klare Kante“ zu zeigen. Was den Umweltminister von Niedersachsen umtreibt, ist nichts anderes als der innige Wunsch, der Anti-Wolfslobby so bald wie möglich einen toten Wolf vor die Füße zu legen.
Denken Sie daran, Herr Minister: Dazu muss man sich bücken. Und dabei bleibt immer ein Teil des eigenen Egos liegen.