Scheu verloren?

Scheu verloren?

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25.06.2015

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In Niedersachsen macht man nun Ernst mit den „Problemwölfen“ auf dem Übungsplatz Munster. Gleich ein Dutzend Leute sollen im Gebrauch von Narkosegewehren geschult werden, damit einige der auffällig vertrauten Tiere mit Sendern ausgestattet und genau überwacht, wenn erforderlich auch nachhaltig vergrämt werden können.

Sebastian Koerner, der Deutschlands Wölfe kennt wie kein anderer, hält die Sorgen und auch den Aufwand freilich für übertrieben. Lesen Sie seine Einschätzung („Scheu verloren?“), warum die Wölfe in Munster so sind, wie sie sind. Und diskutieren Sie gerne mit!

Dass das Wolfmanagement in Niedersachsen viel aufzuholen hat, ist längst kein Geheimnis mehr. Ein Schritt nach vorn ist vor wenigen Tagen mit dem Fang und der Besenderung eines Jährlingswolfes aus dem Munsterrudel gelungen. Eine andere Baustelle sind die Wolfsberater. Lesen Sie dazu unter Isegrim, welche Ansichten ein prominenter Jagdbuchautor und Wolfsberater des Landes über Wölfe vertritt.

Wildwuchs der Managementpläne

Die Munsteraner Wölfe sollte man für einen Naturschutzpreis vorschlagen: Sie bringen das Wolfsmanagement auf Trab. Aufgeschreckt durch die Ereignisse zu Beginn des Jahres in Diepholz-Vechta und im Übungsplatz Munster macht man sich nun allenthalben daran, den Umgang mit Wölfen besser bzw. überhaupt zu regeln. Schleswig-Holstein versammelt sich an einem Runden Tisch, Sachsen-Anhalt hat Stellungnahmen zu seiner sieben Jahre alten Wolfsrichtlinie für eine Überarbeitung eingesammelt, Rheinland-Pfalz hat bereits vor Ankunft des ersten Wolfes einen Managementplan veröffentlicht, Niedersachsen will in diesem Jahr einen erarbeiten.

Ein Managementplan ist den Wölfen egal; sie brauchen keinen. Aber für die betroffenen Menschen ist er die unverzichtbare Geschäftsgrundlage für einen möglichst reibungslosen, konfliktarmen Umgang mit ihnen. So was braucht Zeit, in Sachsen und Brandenburg dauerte es über ein Jahr. Daran sind weder die Wölfe schuld noch die Grünen oder Wolfsromantiker oder Naturschützer – sondern alle Interessengruppen, die daran mitwirken, gehört werden wollen, ihre Vorstellungen durchsetzen wollen. Die Beteiligung der Betroffenen ist das Kernstück jeden Managements. Per Order „von oben“ funktioniert auf die Dauer nichts.

Wolfsmanagement ist in unserem föderalistischen System Ländersache. Obwohl es Unsinn ist, eine Tierart mit solchen räumlichen Ansprüchen auf Länderebene zu betrachten – der Föderalismus will es so. Das hindert zwar niemanden, sich beim Nachbarn schlau zu machen. Was dabei im Wege steht, sind nicht die landestypischen Eigenarten („man kann Land A und Land B nicht miteinander vergleichen!“ – Quatsch, natürlich kann man!). Es sind menschliche Eitelkeit und das nicht tot zu kriegende Bestreben, das Rad immer wieder neu erfinden zu wollen.

Man darf also gespannt sein, wie die Länder im Einzelnen vorgehen werden. Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen haben es sich einfach gemacht und den Plan von Sachsen fast wörtlich übernommen. Auch Brandenburg ist dem sächsischen Vorbild weitgehend gefolgt. Das war vernünftig – denn in Sachsen ist die gesamte Denk- und Diskussionsarbeit schon zweimal geleistet worden (erst 2009, dann nochmal 2014, als der Freistaat den Wolf ins Jagdrecht übernommen hatte). Nirgends läuft das Wolfsmanagement besser als in Sachsen, wo die deutsche Wolfsgeschichte begann. Was beileibe nicht heißt, dass die Wölfe nicht nach wie vor für Konflikte sorgen. Das tun sie überall auf der Welt.

In Rheinland-Pfalz hat man zwar keine Wölfe, aber schon einen Managementplan. Dazu hat man den sächsischen Plan in seine Textbausteine zerlegt und neu zusammengesetzt, manches ohne erkennbaren Grund umgeschrieben – und prompt die schlüssige Struktur verloren. In Sachsen-Anhalt will man seine „Wolfsrichtlinie“ auf schriftlichem Wege überarbeiten, ohne Plenumsdiskussion mit den Interessengruppen. Das wäre eine Verordnung des Wolfsmanagements von oben. Bürgerbeteiligung sieht anders aus, und ohne Bürgerbeteiligung ist eine so heikle Mission wie das Management von Wölfen nicht vorstellbar. Davon kann man nur dringend abraten.

Nordrhein-Westfalen, so ist zu vernehmen, will gar den bayerischen Dreistufenplan kopieren – für einzelne, durchwandernde Wölfe, für einzelne ortsfeste Wölfe und schließlich für sesshafte Rudel. Ja Herr im Himmel, warum denn kompliziert, wenn’s auch einfach geht! Niemand sollte sich wundern, wenn sich in NRW ein Rudel etabliert, bevor man mit einem Plan Stufe 1 fertig ist.

Und Niedersachsen? Hat ein Wolfskonzept (schöner Text, aber unverbindlich), eine Richtlinie für Schadensausgleich und Prävention von 2014 (die viel zu spät kam, weil die Hütte längst lichterloh brannte) und eine Kooperationsvereinbarung zwischen Ministerium und Jägerschaft, die sich offensichtlich nicht bewährt hat. Nun ist ein Managementplan im Gespräch. Man darf gespannt sein, zu welchem Procedere man sich entschließt.

Manchmal ist es ein Kreuz mit dem Föderalismus.

Das meint jedenfalls Ihr

 

Unterschrift UW