Fakten zur Goldenstedter Wölfin

Fakten zur Goldenstedter Wölfin

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18.02.2016

Keine appetitliche Arbeit, aber unverzichtbar. Foto Matthias Niehues / www.advantage-photo.de

Keine appetitliche Arbeit, aber unverzichtbar. Foto Matthias Niehues / www.advantage-photo.de

Unter Federführung von Frank Faß, Wolfcenter Dörverden, haben neun Wolfsberater des „Krisengebietes“, wo die Goldenstedter bzw. Vechta-Wölfin seit November 2014 immer wieder Schafe gerissen hat, einen 61seitigen detaillierten Bericht zu den Vorkommnissen vom 01.11.2014 bis 31.01.2016 erstellt. Grundlage sind 61 Schadensfälle mit 202 Nutztieren in den Kreisen Diepholz (38 Fälle), Vechta (20) und Oldenburg (3).

In 37 Fällen steht ein Wolf als Verursacher fest. 16 weitere Fälle sind noch in Bearbeitung, der oder die Verursacher also nicht bekannt. In sieben weiteren Fällen war der Verursacher kein Wolf, ein Fall war unklar.

Bei den 37 eindeutigen Wolfsübergriffen waren insgesamt 152 Nutztiere betroffen. 67 wurden unmittelbar getötet, 32 wurden nachträglich wegen ihrer Verletzungen getötet, 44 überlebten mit Verletzungen, zwei sind vermisst, sieben Muttertiere haben verlammt.

In 30 der 37 Fälle waren von dem Übergriff fünf oder weniger Nutztiere betroffen, in drei Fällen jedoch mehr als elf.

Die geschädigten Betriebe teilen sich auf in 19 Hobbyhalter (51%), zwölf Nebenerwerbsbetriebe (32%) und sechs Haupterwerbsbetriebe (16%).

Etwa die Hälfte (18 von 37) der Übergriffe ereigneten sich am Wochenende.

Der Bericht lässt wenig Raum für Spekulationen, dass an den 37 geklärten Übergriffen ein anderer Wolf als die identifizierte Wölfin beteiligt war: 32mal wurde genetisch der sehr seltene Haplotyp HW02 nachgewiesen. Dieser Typ wurde bisher nur bei der Fähe des Gartower Rudels gefunden. Die Goldenstedter Wölfin ist eine zugewanderte Tochter dieser Fähe. In den fünf anderen Fällen reichte die Qualität der Proben zur Haplotypbestimmung nicht aus.

Für die Mikrosatellitenanalyse – sie ergibt den sog. „genetischen Fingerabdruck“, d. h. sie identifiziert ein Individuum – waren nur 15 Proben brauchbar. In elf Fällen wurde die Wölfin GW356f identifiziert, in vier weiteren Fällen war dies nicht „mit letzter Sicherheit“ möglich. 22 Proben konnten nicht analysiert werden.

Selbst wenn in 16 weiteren Fällen das Ergebnis der genetischen Analysen noch aussteht, ist festzustellen: Es gibt keinerlei Hinweis auf die Beteiligung eines zweiten Wolfes an den Übergriffen im genannten Raum.

In vier von 37 Fällen kam es zu Übergriffen, obwohl der in der Wolfsrichtlinie des Landes Niedersachsen geforderte „Grundschutz“ gegeben war: Zweimal wurde ein Elektronetzzaun von 90 cm Höhe überwunden, einmal sogar 105 cm. Im Fall Nr. 4 war über einem Zaun von 105 cm Höhe sogar ein Flatterband in 135 – 149 cm Höhe gespannt. Damit steht fest, dass die Goldenstedter Wölfin mehrmals den Grundschutz überwunden hat.

Wotschikowsky 04

Kommentar

Mit diesem Bericht lassen sich viele Gerüchte entkräften, die die Goldenstedter Wölfin neben ihrer „Blutspur“ unter den Nutztieren verursacht hat: Es seien mehrere Wölfe, es seien nur Hobbyhalter betroffen, es seien nur ungeschützte Schafe gerissen worden u.s.w.. Es stellt sich aber auch die Frage, ob man das Wolfsproblem in Diepholz-Vechta mit einer Flut von Zahlen lösen kann.

Legen wir der Goldenstedter Wölfin zu den 37 eindeutig geklärten Übergriffen noch 13 von den 16 ungeklärten zur Last, so kommen wir auf 50 Übergriffe in 15 Monaten. Bei der Hochrechnung von 37 auf 50 ergeben sich dann 205 betroffene Nutztiere, 134 davon tot bzw. nachträglich eingeschläfert.

Die Goldenstedter Wölfin erlaubt sich demnach etwa alle neun Tage einen Übergriff. Dabei müssen durchschnittlich 2.7 Nutztiere unmittelbar oder später dran glauben.

Vergleichen wir das mit einer mehrjährigen Schadensstatistik von Sachsen. In den Jahren 2006-2014 wurden dort 193 Übergriffe von 55 Jahresrudeln registriert („Jahresrudel“ ist die Summe der Rudel Jahr für Jahr). Das sind weniger als vier Übergriffe pro Rudel und Jahr – gegenüber 40 der Goldenstedter Wölfin pro Jahr. Faktor 10!

Was uns der Bericht von Frank Fass und seinen Mitstreitern jedenfalls eindrücklich vor Augen führt, sind zwei Dinge:  

Nummer eins – Das Ausmaß der Schäden von Wölfen hat keinen Zusammenhang mit ihrer Dichte. Der Schaden „Pro Kopf Wolf“, den Einzelwölfe anrichten, ist ungleich größer als der von Wölfen in Rudeln.

Nummer zwei – Die Goldenstedter bzw. Vechtawölfin ist ein extremer Fall. Anders als das eine oder andere Rudel in Sachsen, das keine Zäune mehr übersprungen hat, nachdem mit Flatterband nachgerüstet worden war, lässt sich dieses Tier nur schwer umerziehen. Es wird erst recht spannend, wenn sich diese Wölfin einen Partner anlacht und ein Rudel gründet.

So ergeben sich zwei Optionen: Entweder man rüstet über den Grundschutz hinaus weiter nach – und wird sich fragen müssen: wie lange noch? Oder man eliminiert diese Wiederholungstäterin. Und stellt damit gleichzeitig sicher, dass sich nicht ein ganzes Rudel dieses Verhalten angewöhnt. Nimmt allerdings auch den Druck auf die vielen Hobbyhalter, die ihre Schafe nach wie vor nicht schützen wollen und darauf vertrauen, dass der nächste Wolf ebenfalls eliminiert wird.

Schließlich stellt sich noch die Frage, welche Fragen die geplante Besenderung der Wölfin noch klären soll. Bisher ist noch nicht einmal eine Institution gefunden, die sich dazu bereit erklärt hat. Jedenfalls nicht unter den Vorgaben des Ministeriums.

Den Wolfsberatern um Frank Faß ist für diesen Bericht sehr zu danken. Sie haben vorgemacht, was gutes Wolfsmanagement leisten muss: Entscheidungsgrundlagen für die Politik geliefert. Wohlgemerkt – aus Eigeninitiative, nicht auf Grund eines Auftrags.

Unterschrift UW 30