„Erschießt die Wölfe!“ Eine Botschaft aus Frankreich – und eine aus Rumänien

„Erschießt die Wölfe!“ Eine Botschaft aus Frankreich – und eine aus Rumänien

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06.10.2016

„Nehmt Gewehre und erschießt die Wölfe!“ fordert Laurent Garde, Direktor im Forschungsinstitut für die praktische Weidewirtschaft in den französischen Seealpen. In einem zehnminütigen Monolog behauptet der promovierte Ökologe und Anthropologe, Europa erzwänge eine „Überpopulation“ des Wolfes, man sei „am Ende des Endes.“ Die Wölfe seien gar keine richtigen wilden Wölfe mehr, weil sie sich den „immer komplexeren“ Herdenschutzmaßnahmen anpassten und neue Wege für ihre Übergriffe auf Weidetiere fänden. Man habe ein „biologisches Monster“ geschaffen, das nichts mehr zu tun habe mit einem Wolf, der in der Wildnis lebt. Die freie Weidetierhaltung werde durch die Wölfe zum Erliegen kommen, der Massentierhaltung im Stall werde freie Bahn geschaffen.

Nicht nur die Interessengemeinschaft Sichere Weidewirtschaft (ISW) jubelt über die „Fakten,“ die da verkündet würden. Auch der Deutsche Jagdverband empfiehlt eine „weite Verbreitung“ des Videoclips.  So tickt er also, der DJV. „Nehmt Gewehre …“

Erst die Piotr-Saga von der Aussetzung der Wölfe, dann die Hybriden-Obsession, jetzt das biologische Monster: Schneller als man mittelalterliche Schauergeschichten ausräumen kann, werden neue erfunden. Und so manchen Wissenschaftler scheint, wenn es um Wölfe geht, der Verstand zu verlassen. Der rapide Rückgang der Schafhaltung, der schlimme Trend zur Massentierhaltung – alles richtig, aber seit Jahrzehnten im Gange, jedenfalls lange bevor die Wölfe und andere Beutegreifer begannen, sich aus ihrem historischen Tief Mitte des vergangenen Jahrhunderts zu erholen. Und dass Wölfe nicht mehr „wild“ sind und gar zu Monstern werden, weil sie intelligent genug sind, Weidetiere zu reißen (auch solche, die scheinbar geschützt sind) – das ist die kurioseste „ökologische“ Sichtweise, die mir seit langem begegnet ist.

Auf diesem Niveau mögen sich der ISW und der DJV tummeln. Wolfsite bietet einer Auseinandersetzung mit solchen absurden Vorstellungen keinen Platz.

Rumänien auf neuen Wegen

Eine ganz andere Nachricht kommt aus Rumänien (und auf den Kommentar des DJV bin ich jetzt schon gespannt). Das Land hat beschlossen, Bär, Wolf, Luchs und Wildkatze künftig von jeglicher Bejagung auszunehmen. Und die bisherige auf Trophäen gerichtete Bejagung des Schalenwildes – oder sagt man besser „Bewirtschaftung?“ – auf eine an den Wald- und Feldschäden orientierte Populationskontrolle zu ersetzen. Keine Jagd mehr auf starke Hirsche oder Bären durch finanzstarke Jäger aus dem Westen. Das klingt wie ein Donnerschlag – und ist es auch, wenn es tatsächlich so umgesetzt wird, wie es aus dieser brandneuen Nachricht entnommen werden könnte.

Ende der Nachstellung für alle großen Beutegreifer in Rumänien? Man wird sehen ... (Foto Karsten Nitsch)

Ende der Nachstellung für alle großen Beutegreifer in Rumänien? Man wird sehen … (Foto Karsten Nitsch)

Mir schmeckt der Gedanke nicht, dass Rothirsch, Reh und Wildschwein künftig lediglich als Wald- und Feldschädlinge behandelt werden sollen. Ich habe auch meine Zweifel, ob es eine gute Idee ist, problematische Tiere (etwa futterkonditionierte Bären) künftig von der Armee erschießen zu lassen. Der Grundgedanke allerdings, attraktive Wildtiere – egal ob Hirsche oder Bären – nicht mehr für Geld totschießen zu lassen, ist mir sehr sympathisch. Die Jagd ist längst auf dem Wege, zu einer kommerziellen Bedienung an Naturgeschöpfen zu verkommen, doch gilt das nicht nur für das klassische Jagdland Rumänien, sondern das haben wir auch bei uns vor der Haustür. Rumänien, dieses von Ausbeutung der Menschen wie der Naturgüter und von hemmungsloser Korruption gebeutelte Land, kann ich mir allerdings nur schwer als die Speerspitze eines radikal „besseren“ Umgangs mit Wildtieren vorstellen. Fragen über Fragen also. In Kürze werde ich gründlich über die Situation in Rumänien berichten. Ich bitte um etwas Geduld.

Außerdem hat Bayern neuerdings nicht nur einen „halben“ Wolf (der in den Nationalparken Bayerischer Wald und Sumava, Tschechien, hin und her geht), sondern offenbar einen ortsfesten Wolf in Grafenwöhr. In Tschechien haben sich mindestens zwei Rudel gebildet. Und bei Cuxhaven wurde eine Wölfin erschossen.

Ihr

Unterschrift UW