Rückblick: Die Piotr-Saga und andere Märchen

Rückblick: Die Piotr-Saga und andere Märchen

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Schauermärchen für 5,50 Euro bietet das Hamburger Magazin JÄGER

Schauermärchen für 5,50 Euro

BILD macht’s noch billiger.

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09.08.2014

Was ist aus den Schauergeschichten geworden, die um die Jahreswende die Wolfsszene beherrschten – dem Unfall mit neun toten Pferden und zwei verletzten Menschen bei Meißen, angeblich von Wölfen verursacht? Dem angeblich von einem Wolf totgebissenen Hund in einem Tierheim bei Hoyerswerda? Der Piotrsaga im Jagdmagazin Jäger, der zufolge Wölfe und Luchse aus dunklen Quellen im Osten über die Grenze gekarrt und auf Truppenübungsplätzen im Westen freigesetzt werden? Schall und Rauch, alles miteinander.

Der Fall Meißen (Sachsen): Da waren neun wertvolle Reitpferde in dunkler Nacht aus ungeklärten Gründen auf eine Bundesstraße gelaufen und in einem schlimmen Verkehrsunfall zu Tode gekommen. Zwei Autofahrer wurden erheblich verletzt, ihre Fahrzeuge schwer beschädigt. Zunächst dachte niemand an Wölfe. Das war örtlichen Jägern und einem selbst ernannten Gutachter vorbehalten, der nach wenigen Tagen zweifelsfrei bewiesen haben wollte, dass Wölfe eine Panik bei den Pferden ausgelöst hatten. Das Gutachten, von den Jägern in Auftrag gegeben, gelangte allerdings erst etwa vier Wochen später ans Ministerium. Der Verfasser, ein Wissenschaftsjournalist namens Wernher Gerhards, war bereits vorher im Verfahren wegen des „Westerwaldwolfes“ in Rheinland-Pfalz aufgefallen. Die Jägerschaft fühlte sich veranlasst, dem Innenminister einen offenen „Brandbrief“ zu schreiben, er möge der „unkontrollierten Vermehrung“ der Wölfe Einhalt gebieten. Wer einen Blick in das „Gutachten“ wirft, bekommt einen treffenden Eindruck davon, auf welchem fachlichen Niveau sich manche Auseinandersetzungen über Wölfe auch heute noch abspielen. Vertreter der sächsischen Landesjägerschaft lobten das Werk dennoch in den höchsten Tönen und meinen, Gerhards sei „der Wolfsforschung weit voraus.“

Der Fall Hoyerswerda (ebenfalls Sachsen): Da wurde abends im Freilaufareal des Tierheims ein neunjähriger Schäferhundmischling mit schweren Bissverletzungen im Brustbereich tot aufgefunden. Der gerade anwesende Tierarzt Dr. Peter Bresan (81) kam umgehend zu dem Schluss, der Hund sei „eindeutig“ von einem Wolf getötet worden. Eine genetische Analyse von Speichelproben, die an dem Schäferhund und einer Hündin im Nachbargehege genommen werden konnten, durch das Senckenberg Institut bewies einwandfrei, dass nicht ein Wolf, sondern die Nachbarhündin – ein Ridgeback/Dogo Canario Mischling – die Täterin war. Seitdem schwadroniert Dr. Bresan öffentlich von einer „freundlichen Vertuschung“.

Die Piotr-Saga: Ein journalistisches Schurkenstück, anders kann ich das nicht bezeichnen. Zunächst behauptet die Geschäftsführerin des Hamburger Jagdmagazins Jäger, die Wölfe in Deutschland kämen „in beheizten (!) Kleinviehanhängern“ aus dem Osten und würden bei uns ausgesetzt. Eine Nummer später legt Chefredakteur Lucas von Bothmer nach: Im Editorial fabuliert er von einem LKW-Fahrer namens Piotr, der Wölfe und Luchse über die Grenze schmuggelt. Das Geld komme von deutschen Wolfsfreunden, möglicher Weise sogar von einem Landesumweltminister. Von Bothmer habe in einem Gespräch mit einem Polizeibeamten von solchen Transporten über die deutsch-polnische Grenze erfahren, den Namen des Beamten könne er natürlich nicht nennen. Das Internetportal www.natuerlich-jagd.de greift den Unfug auf, da kommen die Wölfe aber aus Kanada bzw. Nordamerika. Auf Nachfrage teilt die Bundespolizei mit, dass man diese Gerüchte seit Jahren kenne. Es sei nichts dran, es gebe weder konkrete Hinweise noch Ermittlungen. Allerdings habe man im Dezember ein Fahrzeug aus dem Osten mit Hehlergut festgehalten, darunter seien auch Fahrräder gewesen – Marke Steppenwolf.

Die Zeitschrift Jäger hat diese absurde Geschichte bis heute nicht korrigiert, sondern ihren Lesern – nein: keinen „Bären aufgebunden“, sondern ein Lügenmärchen aufgetischt und damit Geld verdient.