Das war erst der Anfang!

Das war erst der Anfang!

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16.05.2018

Was in Bad Wildbad passiert ist, wird sich wiederholen: Ein Wolf trifft auf eine ungeschützte Schafherde und richtet ein Massaker an. Mit einem „Blutrausch“ hat das nichts zu tun. Wölfe wären dumm, würden sie solche Gelegenheiten nicht nutzen. Und solche ergeben sich reichlich, wo Wölfe neu ankommen. Da sind die Weidetierhalter noch keine Wölfe gewöhnt und warten erstmal ab. „Es wird schon so schlimm nicht werden!“ glauben viele. Da aber machen sie die Rechnung ohne die Wölfe.

Deshalb werden sich solche Fälle wiederholen. Nicht nur in Baden-Württemberg. Eine „erste Adresse“ ist Bayern, wo sich das Wolfsmanagement festgefahren hat. Dort ist gegenwärtig von drei Rudeln auszugehen (im Bayerischen Wald, in Grafenwöhr und im Veldensteiner Forst). Und im Salzburger Land in Österreich haben sich seit dem 29.04. zehn Übergriffe ereignet, offensichtlich alle durch ein und denselben Wolf, mit insgesamt 21 toten und mehreren verletzten bzw. abgängigen Schafen.

So mancher knüpft seine Hoffnungen an die Verlautbarungen von Politikern, die sich bei solchen Anlässen gerne zu Wort melden. Nichts wird ja derzeit auf hoher politischer Ebene so emsig diskutiert und gefordert wie „Obergrenzen“, „Eingriffsmöglichkeiten“, „Wölfe ins Jagdrecht“, oder – hört hört! – nicht mehr Wölfe als das „artenschutzrechtliche Mindesterfordernis.“ Man könnte meinen, das Land werde überrannt von Wölfen. Und man muss den Eindruck gewinnen, manche Politiker haben von Errungenschaften wie Berner Konvention, Artenschutzabkommen oder FFH-Richtlinie noch nichts gehört, vom Naturschutzgesetz gleich ganz zu schweigen. Sogar die Vertreter der Schafzuchtverbände haben die Nase voll von diesen Fensterreden – siehe „Der Wolf im Umweltausschuss.“

In einer ersten Stellungnahme zum Fall Wildbad hat sich der Schafzuchtverband von Baden-Württemberg Ratschläge zum Herdenschutz verbeten. Ich mache trotzdem einen Vorschlag: Vergesst die Politiker. Nehmt Euch ein Beispiel an dem Schäfer Frank Neumann in Sachsen, dem im Jahr 2002 das erste deutsche Rudel 33 Schafe in zwei Nächten hintereinander umbrachte. Damals gab es nirgends in Deutschland einen Managementplan oder Förderbestimmungen. Die Politik hatte den Wolf noch gar nicht auf dem Zettel. Was machte Schäfer Neumann? Er spuckte in die Hände und half sich selbst.

Geht nicht gibt's nicht für Schäfer Frank Neumann (Foto A. Gomille)

Geht nicht gibt’s nicht für Schäfer Frank Neumann (Foto A. Gomille)

Neumann machte seine Zäune einbruchsicher, und er setzte sie unter Strom. Als er von Herdenschutzhunden hörte, sagte er nicht „geht nicht!“ – sondern ließ sich das zeigen und schaffte sich welche an. Vorübergehend hatte er etwa ein Dutzend davon und begann sogar mit der Zucht. Er war sich nicht zu schade, mal mit seinem Wohnwagen zu einem Kollegen zu fahren und dort seine eigenen Hunde in einer fremden Herde aufpassen zu lassen. Die Formel „Wir fühlen uns allein gelassen!“ war ihm fremd, und mit Phrasen wie denen von Problemwölfen, Obergrenzen, wolfsfreien Zonen hatte er nichts am Hut. Von Scheinlösungen wie Jagdrecht und Abschüssen hält er immer noch gar nichts. Inzwischen hat sein Sohn Rene‘ den Betrieb übernommen, mit fünf Hunden und etwa 600 Mutterschafen.

Frank Neumann hat demonstriert, worauf es ankommt: Man darf über Herdenschutz nicht bloß reden, sondern muss ihn wirklich wollen, und man muss seinen eigenen Teil dazu beitragen. An dieser Einstellung allerdings, den Eindruck werde ich nicht los, fehlt es auf allen Ebenen – bei manchen Weidetierhaltern genauso wie bei Politikern und Verwaltungen. Bei den Tierhaltern ist das noch am ehesten verständlich; denn ihnen bleibt immer noch viel Arbeit. Nicht aber bei Politikern. Von ihnen würde ich erwarten, dass sie alles daran setzen, die Weichen für einen effizienten und vor allem rechtzeitigen Herdenschutz zu stellen. Empfehlungen abseits der geltenden Rechtslage und fern vom Geschehen sind wenig hilfreich, schüren gar die Ressentiments und leisten illegalen Selbsthilfeaktionen Vorschub.

Das meint Ihr

Unterschrift UW 30

 

 

Fakten zu Bad Wildbad:

Die offizielle Bilanz lautet: 17 Schafe direkt getötet, 14 Schafe verletzt und eingeschläfert, 13 Schafe in der Enz ertrunken. Summe 44 Schafe.

Der endgültige genetische Beweis, dass ein Wolf das Unglück angerichtet hat, steht noch aus.

Keiner kann behaupten, der Wolf sei eine Überraschung gewesen. Wolfsnachweise gibt es im Lande seit 2015:

22.06.2015: Ein männlicher Wolf, zugewandert vom Schweizer Calandarudel, wird auf der A 5 bei Lahr überfahren.

26.11.2015: Ein weiterer männlicher Wolf aus dem Calandarudel wird auf der A 8 bei Merklingen überfahren.

15.05.2016: Bei Bad Dürrheim wird ein Wolf auf Video festgehalten.

08.07.2017: Ein erschossener Wolf, zugewandert vom Schneverdinger Rudel, wird aus dem Schluchsee geborgen.

07.10.2017: Im Kreis Heilbronn werden drei Lämmer von einem Wolf unbekannter Herkunft gerissen.

26.11.2017: Bei Bad Wildbad werden drei Schafe von einem Wolf aus dem Schneverdinger Rudel gerissen.

Anfang 12.2017: Derselbe Wolf reißt bei Freudenstadt Rotwild.

29.04.2018: Bad Wildbad – der hier diskutierte Fall.