Zwischen Schnellschuss und Schreckstarre

Zwischen Schnellschuss und Schreckstarre

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03.03.2015

Wird jetzt zum Halali auf Wölfe geblasen? Wer in diesen Tagen eine Zeitung aufschlägt, der muss diesen Eindruck haben. Ein Wolf am Waldkindergarten! Sechzig tote Schafe in drei Monaten, gerissen von nur einem einzigen Wolf! Wölfe folgen einer Spaziergängerin mit ihren Hunden!

Kanadischer Wolf. Foto Hendrik Bösch

Ein Wolf läuft am helllichten Tag durch die Stadt! Ein Wolf lässt sich beim Angriff auf Schafe nicht von schreienden Menschen stören! Das alles innerhalb weniger Wochen, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Es sind Tatsachen. Eine harte und – wie mir scheint – völlig unerwartete Bewährungsprobe für das Wolfsmanagement. Das wurde offenbar kalt erwischt. So habe ich mir professionelles Wolfsmanagement nicht vorgestellt.

Auch andere zeigen sich irritiert davon, wie in Niedersachsen mit den Wolfsereignissen umgegangen wird - lesen Sie dazu die Zusammenfassung der Geschehnisse in AKTUELLES und die Beiträge im FORUM!

Erst Schreckstarre – weil man eine Ewigkeit von drei Monaten brauchte, bei sechzig gerissenen Schafen endlich die sog. „Förderkulisse“ (das Gebiet, in dem Schutzmaßnahmen gegen Wölfe vom Land gefördert werden) zu erweitern; weil man nicht imstande war, einen besorgten Bürgermeister vernünftig zu beraten, der einen Waldkindergarten vor Wölfen schützen zu müssen glaubte; weil man den aufdringlichen Wölfen auf dem Übungsplatz Munster nur zuschaute, anstatt Alarm zu schlagen und das Monitoring zu intensivieren.

Dann Schnellschüsse – ein Lappenzaun am Waldkindergarten; und die Erklärung der ungenierten Wölfe bei Mölln und in Wildeshausen zu „verhaltensauffälligen“ Tieren, die in letzter Konsequenz – wenn also Vergrämen nicht hilft – „notfalls“ auch erschossen werden dürfen. Das Kleingedruckte – das blieb wie immer auf der Strecke.

Müssen sich Wolfsfreunde nun ernsthaft Sorgen um ihre Lieblinge machen? Können Wolfsgegner triumphieren, weil endlich wieder für Recht und Ordnung gesorgt wird?

Nein. Sorgen sind ebenso unbegründet wie Triumphgehabe. Entscheidend ist das Kleingedruckte. Es gab schon immer die Möglichkeit, „Problemwölfe“ in letzter Konsequenz „zu entnehmen“ – sprich zu töten. Allerdings – ein Wolf wird nicht erschossen, weil er sich anders benimmt, als wir das erwarten, sondern dann, wenn er eine Gefahr für Menschen darstellt und dies auch kompetent diagnostiziert wird. Oder wenn es ihm trotz fachlich einwandfreier Schutzmaßnahmen immer wieder gelingt, Nutztiere zu reißen. Keiner der Wölfe, die hier als „verhaltensauffällig“ deklariert wurden, erfüllt bisher diese Kriterien. Ein Wolf, der untertags durchs Dorf läuft, ist merkwürdig, verstört uns, wirft Fragen auf – aber er ist nicht gefährlich. Er hat mit Menschen, auch mit Kindern nichts Böses im Sinn.

Dem Wolfsmanagement in Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind diese Dinge alle bekannt. Zumindest hoffe ich das. Aber diese Mischung aus erst Untätigkeit und dann Hektik und Aktionismus hat offen gelegt, dass man der Herausforderung Wolf noch nicht gewachsen ist. So ist das Gegenteil dessen passiert, was Aufgabe gewesen wäre: Vertrauen dafür zu schaffen, dass das heikle Unternehmen gelingen kann, den Wölfen bei uns wieder ein Dasein zu erlauben.

Unterschrift UW