Seitenweise leeres Stroh

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04.04.2018

Prof. Dr. Pfannenstiel kann’s nicht lassen. Nach seiner umfangreichen „gutachtlichen Stellungnahme zum Wolf“ im vergangenen Jahr bedenkt er nun die Fraktionsvorsitzenden in Brandenburg, die Vorsitzenden der Landesjagdverbände und des DJV, das Forum Natur Brandenburg und des deutschen und Brandenburgischen Bauernverbandes mit einem weiteren ausschweifenden Elaborat (nachzulesen auf der Jäger-Website JAWINA) zur Wolfsproblematik. Pfannenstiel kämpft mit Hingabe gegen Windmühlen. Anscheinend will sich der emeritierte Professor für Meerestiere (JAWINA erhebt ihn zum „Wildbiologen“) zum Sprachrohr der Wolfsgegner hochstilisieren. Nun – davor muss einem nicht bange sein.

Zum Gähnen ist das! (Foto Schönberger)

Zum Gähnen ist das! (Foto Schönberger)

Gleich zu Beginn redet er von „Ökophantasten“, später von „ideologisch motiviertem Naturschutz“ – der Professor lässt keinen Zweifel daran, welchen Stil der Auseinandersetzung er bevorzugt: den der Polemik und der Miesmacherei. Kern seines Anliegens ist unverhohlen die Bejagung der Wölfe.

Er beginnt mit der Feststellung: „Die Art Canis lupus ist nicht vom Aussterben bedroht.“ Natürlich nicht – und es ist auch nicht der Anlass für den Schutzstatus des Wolfes, den Pfannenstiel zum xten Mal in Frage stellen möchte – sondern die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie. Sie ist verbindlich für alle EU-Mitglieder und fordert, dass sich in der EU Populationen von großen Beutegreifern (wieder) entwickeln, nachdem sie in diesen Ländern durch Jahrhunderte lange Verfolgung (fast) ausgerottet worden waren. Dahinter steht die schlichte Einsicht, dass es nicht genügt, die Erhaltung konfliktträchtiger Arten irgendwelchen weniger entwickelten, gar armen Ländern zu überlassen, sondern dass wir innerhalb unserer eigenen nationalen Grenzen ebenso verpflichtet sind, die Schöpfung zu bewahren. Was das mit „Ideologie“ zu tun haben soll – das hätte ich von Prof. Pfannenstiel gerne erklärt bekommen.

Für die Populationen fordert die FFH-Richtlinie nicht irgendeinen, sondern einen „günstigen Erhaltungszustand.“ Dieser ist durch mehrere Kriterien definiert. Als Faustzahl (aber nicht mehr) orientiert sich die EU dazu an 1.000 erwachsenen Tieren in jeder Population, sofern diese sich unabhängig von anderen Populationen entwickelt. Steht sie in ständigem Kontakt mit einer (oder mehreren) anderen, so genügen 250 erwachsene Tiere.

Prof. Pfannenstiel will das nicht einsehen. Er will, dass die Wölfe bejagt werden, möglichst sofort. Und so macht er sich denn seitenlang auf die Suche nach etwas, das nicht sein kann, weil nicht sein darf. Fündig wird er nicht dabei. Bei den wenigen Ausnahmen vom Eingriffsverbot handelt es sich niemals um eine Begrenzung der Populationsentwicklung, sondern stets um Einzelfälle, wie etwa die Schutzjagd in Schweden (nicht die dort ebenfalls betriebene Quotenjagd, die die EU seit längerer Zeit juristisch beschäftigt). Den strengen Schutzstatus der Kategorie II will er in den geringeren Status IV, gar V abgesenkt wissen. Damit ist aber mitnichten ein „Jagd frei“ verbunden – sondern eine Bejagung ist erst möglich, wenn sich die Population im günstigen Erhaltungszustand befindet. Und davon sind wir in Deutschland mit etwa 150 erwachsenen Tieren (Stand April 2017) oder inzwischen vielleicht 200 (wenn wir eine Zunahme von 30% pro Jahr unterstellen) noch weit, weit entfernt.

Pfannenstiel beklagt, dass „Population und Bestand nicht immer sauber getrennt“ würden. Wozu auch? Die FFH-Richtlinie hat ausdrücklich die „Population“ zum Ziel und nicht, wie es Pfannenstiel (nur er) gerne hätte, „lokale Bestände.“ Zum Hybridenphänomen lässt sich der Professor vernehmen, es werde „von einigen Wissenschaftlern durchaus diskutiert, dass unsere Wölfe zu einem erheblichen Prozentsatz Hybriden sind“ – was, bitte sehr, sind das für „Wissenschaftler?“ Wer hat Hybriden festgestellt und wie? Außer den bekannten Fällen (Thüringen 2017, Lausitz 2003) hat niemand bisher einen Hybriden nachgewiesen (übrigens auch nicht das Hamburger Institut FORGEN, das gerne als Kronzeuge genannt wird). Warum soll es uns beschäftigen, was diese Leute „diskutieren?“ Hält Pfannenstiel die Mutmaßungen, die er da anstellt, für eine fachliche, gar wissenschaftliche Auseinandersetzung? Nein – eher ist das schon Ideologie, wie sie der Herr Professor anderen Leuten vorhält.

Mit all dem ist es für Pfannenstiel noch längst nicht getan. Zur Gefährlichkeit von Wölfen zitiert er lange Passagen aus dem NINA-Report, erspart dem Leser auch keine langatmigen Übersetzungen – das ist alles schon wiederholt von kompetenten Leuten gemacht und diskutiert worden und nichts Neues. Pfannenstiel kann einfach kein Ende finden in seinem Geschreibe, kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, zum Wolf im Recht ganz allgemein und zum Jagdrecht im Besonderen, zu den Managementplänen, zur Genetik und dann wieder zurück zum günstigen Erhaltungszustand. So reiht sich eine Seite an die andere, ein Textbandwurm sondergleichen – und dabei will der Herr Professor doch nur das Eine: Endlich Wölfe schießen.

In dem ausufernden Geschwurbel findet sich kein einziges Argument zur Begründung einer Jagd auf Wölfe. Kein einziges Problem kann Pfannenstiel überzeugend benennen, das durch eine Bejagung gelöst würde. Die Lektüre ist mühsam und kostet viel Zeit, die man für Besseres verwenden kann.

Ulrich Wotschikowsky, ein Ökophantast

Unterschrift UW 30