Falsche Botschaft: der Handlungsvorschlag für ein praxisorientiertes Wolfsmanagement des FORUMS NATUR
01.02.2019
Das FORUM NATUR hat einen Handlungsvorschlag für ein praxisorientiertes Wolfsmanagement in der Kulturlandschaft Deutschlands vorgelegt.
Die Kernbotschaften lauten:
- Für das Gebiet der BRD ist auf wissenschaftlicher Grundlage für die Wölfe ein „Akzeptanzbestand“ zu ermitteln und auf die Länder, letztlich auf die Landkreise herunterzubrechen.
- Der „Akzeptanzbestand“ ist durch eine „Schutzjagd“ in Anlehnung an das schwedische Vorgehen einzuhalten.
- Die Einhaltung des „Akzeptanzbestandes“ bietet die Gewähr dafür, dass Schäden an Weidetieren im akzeptablen Rahmen bleiben.
- Es ist eine „Wildökologische Raumplanung“ für Wölfe zu erstellen mit Wolfsschutzgebieten, Gebieten mit Wolfsmanagement und wolfsfrei zu haltenden Gebieten.
Die Urheberschaft
Im FORUM NATUR haben sich neun Spitzenverbände zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen, darunter Bauern, Waldbesitzer, Jagdgenossenschaften, Weinbauern, Fischer und Angler. Der „Handlungsvorschlag“ ist jedoch ausschließlich einer der Jägerschaft: Die Projektleitung lag mit H. Dammann-Tamke (Niedersachsen) und Dr. D.-H. Wellershoff (Brandenburg) bei den Präsidenten der jeweiligen Landesjägerschaften. Dr. A. Winter und F. von Massow aus dem Präsidium des Deutschen Jagdverbandes bildeten mit Gregor Beyer (FORUM) die Redaktion. Die wissenschaftliche Beratung oblag Prof. Dr. Dr. Sven Herzog.
Zahlreiche eigenartige bis falsche Feststellungen beschädigen den seriösen Eindruck, den das Papier durch eine neutrale Sprache und ansprechende äußere Aufmachung machen will, von Anfang an:
Wolf-Hund-Mischlinge (sog. Hybriden) könnten für Menschen besonders gefährlich sein (S. 11) (dafür gibt es keinerlei Belege);
Großrudelbildung beim Schalenwild hänge mit Wölfen zusammen (S. 12) (dto.);
Schafe auf Deichen müssten hinter Zaun (S. 13) (es gibt sehr wohl Alternativen);
es gebe „erste Fälle, bei denen Hunde im jagdlichen Einsatz Opfer von Wölfen wurden“ (es gibt keinen einzigen; S. 12).
das Monitoring sei „stehen geblieben,“ es gebe „höchst unterschiedliche Regelungen,“ die Zahlen seien „im Durchschnitt zwei Jahre alt“ (S. 18). (Die Zahlen sind bei Veröffentlichung ein halbes Jahr alt. Und alle Länder halten sich im Wesentlichen an das Monitoringkonzept von Kaczensky et al. 2010).
Dies sind nur einige fragwürdige Sätze, die allerdings in der Wolfsdiskussion immer wieder auftauchen und von den Verfassern unkritisch übernommen wurden. Eine wissenschaftliche Beratung im Sinne eines Lektorats hat entweder nicht stattgefunden oder war nicht gewollt.
Bejagung im Vordergrund
Das Kernstück des Papiers bildet das Kapitel 5 „Aktion und Handlung“. Es ist der Versuch, eine Bejagung der Wölfe juristisch zu legitimieren, und trägt die Handschrift von Prof. Herzog und Guber, die dazu im Fachblatt Natur und Recht 2018 publiziert haben. Das beginnt mit einer Erklärung des Populationsbegriffs mit dem Ziel, zu begründen, dass „unsere“ Wölfe Teil einer so genannten baltisch-osteuropäischen Population sind, die mit ca. 8000 Individuen natürlich in einem günstigen Erhaltungszustand ist. Dem mag man zustimmen, aber die Erörterung ist weitschweifig und umständlich und hat in einem „Handlungsvorschlag“ nichts verloren.
In der Einleitung zum Kapitel 5.2 versteigen sich die Verfasser in schweres Gelände. Die Kernsätze: „… der Akzeptanzbestand an Wölfen (ist) eine … wissenschaftlich zu fassende, aber insbesondere auch gesellschaftspolitisch zu definierende Kenngröße. Für die betroffenen Weidetierhalter stellt der Akzeptanzbestand gleichzeitig diejenige Größe dar, die als maximal tolerierbarer Bestand an Wölfen zu betrachten ist, da sie bis zu dieser Bestandsgrenze einen Rechtsanspruch auf Entschädigung haben und Schäden oberhalb des Akzeptanzbestands durch Schutzjagd nicht entstehen können.“ Unter 5.3.2. (S. 23 stellen die Verfasser dann überraschend fest, dass „…ein solcher Zustand für die Länder Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen gegeben“ sei. Wer hat diesen „Akzeptanzbestand“ ermittelt, und wie?
Hier wird ein Rechtsanspruch unterstellt, der nicht existiert. Und es wird unterstellt, die Schadenshöhe an Weidetieren hänge mit der Zahl der Wölfe zusammen (und nicht mit der Qualität der Herdenschutzmaßnahmen). Und es wird ohne jede plausible Begründung behauptet, dass Schäden oberhalb des Akzeptanzbestandes „durch Schutzjagd nicht entstehen können.“ All das entzieht sich einer ernsthaften Diskussion.
Auf Seite 22 kommt das Papier auf das „aktive Bestandsmanagement“ zu sprechen – also Eingriffe. Es wird behauptet, dass zu den sog. Problemwölfen „recht unterschiedliche Definitionen und Vorstellungen existieren.“ Das mag für manchen Verbandsvertreter, Behördenleiter, Politiker zutreffen, für die jeder Wolf ein Problem darstellt. Aber es gilt nicht für die Definition dieser „verhaltensauffälligen“ Tiere in den gegenwärtigen Managementplänen. Denn alle Länder haben die erstmals im MP Wolf 2009 von Sachsen niedergeschriebene Fassung 1 : 1 übernommen.
Auf Seite 23 versuchen die Verfasser, die „Schutzjagd“ nach schwedischem Vorbild zu erklären und als gangbaren Weg in unserem Land einzuführen. Sie verstehen darunter die Herstellung des „Akzeptanzbestandes“ durch Jagd. Das hat aber überhaupt nichts zu tun mit der schwedischen Schutzjagd, die z. B. im Rentierweideland zur Anwendung kommt, das von Wölfen strikt freigehalten werden soll. Sondern es entspricht der „Licensjakt“, einer Quotenjagd, mit der ein vom Reichstag bestimmter Bestand gehalten werden soll. Genau diese Bejagung wird von der EU kritisch gesehen. Sie verstößt klar gegen die FFH-Richtlinie. In diesem Jahr wurde sie zum wiederholten Mal gerichtlich gestoppt, bevor sie begann.
Das Forum Natur plädiert u. a. dafür, „überproportional auffällige“ Rudel durch Bejagung zu eliminieren. Einer der zahlreichen Denkfehler in diesem Papier: „Auffällig“ durch hohe Schäden an Weidetieren ist ein Rudel in aller Regel nicht per se, sondern durch nachlässige Schutzmaßnahmen. Das ist der Fall beim berüchtigten Rosenthalrudel in Sachsen, so war es bei der Goldenstedter Wölfin (jetzt Barnstedter Rudel), so war es (oder ist es immer noch) beim Cuxhavener Rudel, das durch wiederholte Risse von Rindern unangenehm aufgefallen ist. Konzediert werden muss dabei, dass es Fälle gibt, in denen ausreichende Schutzmaßnahmen an den äußeren Bedingungen scheitern, wie beim Cuxhavener Rudel. Dort haben übrigens die Übergriffe signifikant zugenommen, seit die Elterntiere verschwunden sind. Auch Frankreich ist kein gutes Beispiel. Dort werden jährlich 10-12% der Population erlegt, aber an der Schadenssituation ändert sich nichts. Keine guten Argumente also für eine Bejagung, wie immer man sie bezeichnen mag.
Den Verfassern schwebt eine „Wildökologische Raumplanung“ für Wölfe vor. Damit meinen sie die Einteilung des Landes in Wolfsschutzzonen, Wolfsmanagementareale und Wolfsausschlussareale, ähnlich wie in einigen Ländern für Rotwild. Gerade mal drei Seiten widmen sie dem Herdenschutz. Auch Monitoring und Wissenschaft werden behandelt, und schließlich gibt es ein Kapitel „Wünschenswerte zukünftige rechtliche Regelungen.“ Der eigentliche „Aktionsplan“ ist lediglich ein Balkenschema auf einer einzigen Seite.
Mit dieser Zusammenstellung habe ich versucht, eine kritische Zusammenfassung des „Handlungsvorschlags“ zu geben für jene, die sich der anstrengenden Lektüre des gesamten Werkes nicht unterziehen wollen. Viele widersprüchliche Details habe ich gar nicht angesprochen – das hätte kein Ende gefunden. „Wolfsverstand“ habe ich in diesem Papier kaum angetroffen.
Ulrich Wotschikowsky