Angeknabbert, angefressen …
21.01.2016
Schon wieder Aufregung in Niedersachsen. Am ersten Weihnachtsfeiertag sollen zwei Jungwölfe des Gartower Rudels einen Jogger „angeknabbert“ haben. So jedenfalls stand es in der Zeitung. Haben wir es jetzt nach dem Fall Munster mit einem zweiten verhaltensauffälligen Rudel zu tun?
Der Jogger erklärte, es habe sich um schlanke und offenbar junge Tiere gehandelt, die sich naiv und neugierig verhalten hätten, aber zu keinem Zeitpunkt aggressiv. Er habe beim Laufen plötzlich einen Widerstand an der Hand bemerkt und so erst die beiden Tiere wahrgenommen. Einen habe er getreten, den anderen mit einem Ast getroffen, worauf sie das Weite gesucht hätten. Staatssekretärin Almut Kottwitz erklärte im NDR, Jungwölfe seien um diese Zeit nicht schlank, sondern „dick und plüschig,“ und dem Ministerium sei auch bisher kein Fall bekannt, bei dem ein Wolf an die Hand des Menschen gegangen sei. Zudem sei das Verhalten untypisch für Wölfe. Es könnten also nur Hunde, keine Wölfe gewesen sein. Der Jogger – kein Wolfsgegner – konnte nicht ausschließen, dass er sich seine Risswunde am Daumen zugezogen hatte, als er Äste nach den Tieren warf, um sie zu verscheuchen.
Die Zeitung stellte das Gespräch mit dem Wolfsberater Peter Burkhardt so dar, als habe er die „Entnahme“ – sprich: den Abschuss – der beiden Gartower Jungwölfe gefordert. Das Hamburger Magazin JÄGER, immer zur Stelle, wenn es den Wölfen am Zeug flicken kann, stößt ins selbe Horn. Auf meine Nachfrage hat Burkhardt das energisch bestritten und seinem Unmut darüber Luft gemacht, was er sich alles anhören musste, nachdem er im NDR dazu interviewt worden war.
Die CDU nahm den Fall zum Anlass, das grüne Umweltministerium für die späte Information über den Fall zu rügen. Aber die Rüge ging an die falsche Adresse. Der Wolfsberater hatte den Fall umgehend, am 26. Dezember, an die Landesjägerschaft berichtet, die mit dem Monitoring in Niedersachsen beauftragt ist. Aber erst elf Tage später, am 6. Januar, wurde von dort ans Ministerium weiter berichtet. Die zeitliche Lücke mag den Feiertagen geschuldet sein, aber die Opposition im Niedersächsischen Landtag lässt keine Gelegenheit aus, das Umweltministerium vor sich herzutreiben.
Ich meine, der gegenwärtige Kenntnisstand erlaubt keine eindeutige Feststellung, ob es sich um Hunde oder um Wölfe handelte. Für Jungwölfe ist das beschriebene Verhalten – naiv, neugierig, spielerisch, aber nicht aggressiv – keineswegs untypisch. Dass (habituierte) Wölfe sehr wohl an die Hand gehen, kann in dem Bericht von Mark E. McNay nachgelesen werden, der achtzig Wolf-Mensch-Begegnungen in Nordamerika untersucht hat. Auch sehen Jungwölfe nicht generell „dick und plüschig“ aus – es gibt durchaus auch schlanke unter ihnen.
Ich sehe keinen Anlass, sich Sorgen zu machen. Verschärfte Beobachtung und unverzügliche Meldung von Verhaltensauffälligkeiten sind das Gebot der Stunde.
Weitere Neuigkeiten von den Wölfen wie üblich unter AKTUELL