Wollen hätten wir schon können – aber dürfen haben wir uns nicht getraut!

Wollen hätten wir schon können – aber dürfen haben wir uns nicht getraut!

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18.08.2014

Wenn es um Große Beutegreifer geht, dann gebührt Bayern im nationalen und internationalen Vergleich die Rote Laterne. War schon der Managementplan Luchs eine herbe Enttäuschung, weil er eine eventuelle Wiederansiedlung der faszinierenden großen Katze rigoros ausschloss, so ist es der Managementplan Stufe 2 für einzelne standorttreue Wölfe erst recht. Seit dreieinhalb Jahren zieht sich das hin, aber man kommt nicht zu Potte. Es ist offensichtlich: Im weißblauen Freistaat will man keine Großen Beutegreifer haben.

Sonntag Abend, 27. Juli 2014. Morgen sitzen wir also wieder zusammen, die Arbeitsgruppe Große Beutegreifer Bayern, um über den Managementplan Stufe 2, kurz MP 2, für einzelne standorttreue Wölfe zu beraten. Was das Bayerische Landesamt für Umweltschutz im Frühjahr ins Netz gestellt hat, ist erst eine vorläufige Version, Stand April 2014. Zur Vorbereitung klicke ich mich also rein in das Werk, das Titelbild erscheint und ich denke – huch? Ein Schneegestöber als Titel? Erst beim näheren Hinschauen erkenne ich schemenhaft einen Wolf im Hintergrund. Ach so, ein Fotofallenbild. Wie originell.

Aber vielleicht hat sich jemand was gedacht dabei. Das Bild ist in der Tat kennzeichnend für das schneegestöberhafte Verwirrspiel, das uns seit Jahren zugemutet wird. Dreieinhalb Jahre dauert das nun schon, die Arbeitssitzung morgen ist die zehnte mit jeweils etwa zwanzig Leuten, über fünfundfünfzig Seiten zieht sich das unfertige Opus inzwischen hin, länger als jeder andere Managementplan – und gerade mal für ein paar „einzelne standorttreue Wölfe.“ Ein über weite Strecken umständliches und ausschweifendes, von juristischem Kleinkram wie auch von Bedenken beladenes, inhaltlich zerrissenes und zu wesentlichen Fragen schweigsames Opus. Ein deprimierendes Stück bayerischen drum herum Redens.

In der Einleitung wird der Sonderweg erklärt, warum das bayerische Beutegreifermanagement in drei Stufen aufgeteilt ist: Stufe 1 für zu- und durchwandernde Einzeltiere, wie der Bär Bruno vor acht Jahren. Stufe 2 für wenige, standorttreue Individuen, wie der Wolf, der im Jahr 2010 im Kreis Miesbach Alarm auslöste. Stufe 3 schließlich für Populationen mit Reproduktion, wie der kleine Luchsbestand im Bayerischen Wald. Aber zu dem anspruchsvollen europaweiten Anliegen, die Populationen Großer Beutegreifer in einen günstigen Erhaltungszustand zu führen und dort zu halten – kein Wort, weder in der Einleitung noch sonst irgendwo.

Auch unter den folgenden neun „Eckpunkten“ findet sich nichts dergleichen. Sondern gestelztes Bürokratendeutsch und leere Floskeln. Die Dreistufigkeit der Planung aus der Einleitung wird wiederholt. Es wird erzählt, welche Pläne schon gemacht wurden. Ergebnisse werden vorweg genommen, bevor sie noch behandelt worden sind. „Die Sicherheit der Menschen steht an oberster Stelle“ – hat der TÜV da mitgeschrieben? Und „die gesetzlich normierten Zielsetzungen im Jagdwesen müssen auch bei Wolfsanwesenheit gewährleistet bleiben“ – was nichts anderes heißt, als dass man sich unter keinen Umständen bewegen möchte.

Was soll das bloß, denke ich. Von der AG sind diese sonderbaren „Eckpunkte“ jedenfalls nicht eingebracht worden. Nein – hier haben es offenbar verschiedene Institutionen für angebracht gehalten, ihre Duftmarken zu setzen. Genaues ist dazu nicht zu erfahren. Denn Transparenz ist bei diesem Unternehmen nicht vorgesehen. Irgendwo in den Amtsstuben kochen zahlreiche Köche an dieser Suppe. Ich dachte mal, die AG Große Beutegreifer sei die Küchenmannschaft – wie naiv von mir. Wir liefern ein paar Zutaten. Gekocht wird anderswo.

Diese Suppe allerdings, die schmeckt keinem mehr.

Es fehlt ein verbindliches Ziel

Chefkoch – sprich Feder führend – ist eigentlich das Umweltministerium bzw. das Landesamt für Umweltschutz. Eigentlich. Aber das Landwirtschaftsministerium mischt nach Kräften mit und hat dabei ein offenes Ohr für die Nutzerverbände. Ständig ist die Rede von „Abstimmung.“ Daran wäre grundsätzlich nichts auszusetzen, wenn diese Abstimmungsprozesse ein für beide Seiten verbindliches Ziel hätten. Dieses Ziel kann nur sein, die Rückkehr der Wölfe zu akzeptieren und die Folgen dieser Rückkehr für alle betroffenen erträglich zu machen (dabei allerdings auch von allen einen angemessenen eigenen Beitrag dazu einzufordern). Anders kann man die geltende Rechtslage nicht interpretieren. Aber bis heute hat man sich darum herum gedrückt, eine solche Zielsetzung zu formulieren und als verbindlich zu erklären. Deshalb werden Einwände von Seiten der landwirtschaftlichen Seite oft als Versuche wahrgenommen, ein solches Ziel gar nicht erreichen zu wollen. In schlichten Worten ausgedrückt: Man will in Bayern keine Wölfe (und auch keine anderen Großen Beutegreifer).

Wäre es anders – dann hätte sich längst ein Minister mal hinstellen und erklären müssen, dass er den Wolf in Bayern haben will, meinetwegen auch relativiert mit Wenn und Aber. Was Minister in anderen Ländern wiederholt quer durch die Parteienlandschaft getan haben und offenbar für erforderlich halten – Frank Kupfer (CDU) in Sachsen, Till Backhaus (SPD) in Mecklenburg-Vorpommern oder Anita Tack (Die Linke) in Brandenburg – das geht einem bayerischen Minister nicht über die Lippen. Wollen würde er schon können, aber dürfen traut er sich nicht….

Mit solch despektierlichen Gedanken fahre ich tags darauf nach Feldkirchen, dem Besprechungsort. Um zehn Uhr geht’s los. Und wie ich’s geahnt habe, finden wir nicht eine einzige Minute Zeit zur Sacharbeit. Sondern Frustbewältigung ist angesagt; wieder einmal. Bis in den späten Nachmittag reden wir unter Leitung eines professionellen Moderators kein Wort über Wölfe, sondern darüber, ob und wie wir überhaupt weitermachen wollen. So weit ist es durch das peinliche Geschacher in den oberen Etagen gekommen. Wir kommen uns verarscht vor.

Als sich die AG schließlich ermüdet und frustriert auf die Heimreise machen möchte, wird ihr noch mitgeteilt, dass man höheren Orts die Einrichtung von zwei „Fachgremien“ beschlossen habe. Eine für Wölfe und Herdenschutz – das leuchtet ein; denn das ist der Knackpunkt für die Akzeptanz von Wölfen in Bayern. Allerdings war das Landesamt für Landwirtschaft schon vor Jahren auf einem guten Weg mit Pilotprojekten – bis es zurückgepfiffen wurde. Das andere Fachgremium soll sich um das Thema Wölfe und Jagd kümmern. Auch gut. Aber auf die Zusammensetzung darf man gespannt sein. Schon hat sich herumgesprochen, der Oberste Jagdbeirat sei dafür auserkoren. Diese Versammlung war vor drei Jahren schon nicht imstande, ein ausführliches Papier zu beraten, das die AG zu diesem Thema vorgelegt hatte. „Wolfsverstand“ ist dort jedenfalls nicht zu Hause.

PS für Nichtbayern: Der Titel stammt aus dem Fundus des unvergleichlichen bayerischen Satirikers Karl Valentin.