Wolf in Rathenow zum Abschuss vorgesehen

Wolf in Rathenow zum Abschuss vorgesehen

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20.12.2016

In dem Städtchen Rathenow, 70 km westlich von Berlin, hat sich Mitte Dezember wiederholt ein Wolf blicken lassen. Auf einem Foto ist er in einer Autowaschanlage zu sehen, ein zwölfjähriges Mädchen soll er „beschnuppert“ haben. Wahrscheinlich handelt es sich um einen naiven Jungwolf des nahen Klietzer Rudels in Sachsen-Anhalt. Aber was heißt das schon. Jedenfalls hat man seitens des Landesamtes einen Antrag auf eine „artenschutzrechtliche Ausnahme im Interesse der öffentlichen Sicherheit“ zum Fangen bzw. Töten des Wolfes gestellt. Und das ist gut so.

In den Wolfs-Managementplänen wird empfohlen, einen verhaltensauffälligen Wolf sorgfältig zu beobachten, nach Möglichkeit zu besendern und dann zu vergrämen. Erst wenn das nicht hilft, darf und soll er „entnommen“ werden. Spätestens seit dem Theater mit MT6 in Niedersachsen wissen wir, wohin das führen kann. Dieser Käse ist auch in Rathenow noch lange nicht gegessen.

Es ist gar nicht sicher, ob der Wolf in Rathenow als „verhaltensauffällig“ anzusehen ist. Auch bei MT6 war das lange Zeit unklar. Aber aus dem Fall kann man einige Lehren ziehen. Eine davon ist, dass wir wirksame Entscheidungsstrukturen brauchen, um solche Fälle rasch lösen zu können. Und kompetente Fachleute, die solche Situationen beurteilen können. Bei beidem gibt es reichlich Ergänzungsbedarf.

Die Rechtslage und die Managementpläne sind einige Jahre alt. Sie sind entstanden unter dem Eindruck einer kleinen Zahl von Wölfen, wie wir sie vor zehn Jahren hatten. Da kam es auf jeden Wolf an. Keiner konnte sich damals vorstellen, dass wir nur sechzehn Jahre nach der ersten Rudelgründung bereits über 500 Wölfe in Deutschland haben würden. Deshalb kommt es heute nicht mehr auf einen einzelnen Wolf an, sondern auf die Akzeptanz der Wölfe durch die Bevölkerung. Auf lange Sicht ist sie für Isegrim wichtiger als ein Einzelschicksal.

Überall ist zu lesen, dass man die Befürchtungen der Bevölkerung „ernst nehmen“ müsse, sogar dann, wenn sie unbegründet sein mögen. Diesen Beteuerungen dürfen gerne Taten folgen – aber manche verstehen unter Taten immer noch eine Litanei von umständlichen Prozeduren, nämlich einen verdächtigen Wolf sorgfältig beobachten, einfangen, Sender umhängen, Gucken was er macht und wo er ist. Dann Gummigeschosse laden und dem Wolf aufs Hinterteil schießen, Schweizer Kracher werfen. Und erst wenn das alles nichts hilft und der Wolf wieder schnuppert, wo er nichts zu schnuppern hat – dann, erst dann soll er „entnommen“ sprich erschossen werden.

Der Fall MT6 hat mich davon überzeugt, dass wir auf die umständlichen Vergrämungsversuche mit Einfangen und Besendern verzichten sollten. Denn in drei von vier Fällen gehen diese Versuche ohnehin daneben. Freilich wird es dann schwierig, den „richtigen“ Wolf zu entnehmen. Aber sei’s drum. Die Zukunft der Wölfe steht selbst dann nicht auf dem Spiel, wenn wir einen „falschen“ eliminieren. Viel schlimmer wäre es, der „richtige“ richtet Unheil an. Wir müssen alles dransetzen, dass es nicht so weit kommt. uw