Wohin führt der Bayerische Weg?
01.10.2018
Der Schlagabtausch, den die Süddeutsche Zeitung erwartet hatte (siehe AKTUELL), hat sich in Grenzen gehalten. Als ob in 14 Tagen keine Wahl stattfände und als ob die schweren rechtlichen Bedenken gegen den „Aktionsplan Wolf“ nicht weiter relevant wären, ist man bei der Besprechung am 20.09. den bayerischen Weg weiter gegangen: Augen zu und durch.
Einundfünfzig (!) Leute hatten sich versammelt, um den Entwurf des Aktionsplans Wolf zu diskutieren. Natürlich viel zu viele, wenn man Ergebnisse erwartet. Aber „Ergebnisse“ hätten wohl nur gestört. Unmittelbar vor der Wahl meint man, endlich Aktivität vorweisen zu müssen. Was jahrelang von den Schreibtischen des Umweltressorts ins Landwirtschaftsressort und wieder zurückgeschoben worden war, sollte jetzt endlich Gestalt annehmen. Und zwar vorbei an der verbindlichen FFH-Richtlinie. Mit „artenschutzrechtlichem Mindesterfordernis,“ auf dem man die Wölfe halten will, und mit „nicht schützbaren Weidegebieten“ (auf deutsch: Wolfsfreigebieten), wo Wölfe schon auf Verdacht abgeschossen werden sollen, bevor sie noch irgend ein Unheil angerichtet haben.
Das haben andere Bundesländer auch schon versucht. Es wird schiefgehen. Die Zielsetzung der FFH-Richtlinie ist nicht ein obskures „artenschutzrechtliches Mindesterfordernis,“ das sowieso keiner versteht, sondern eine Population in günstigem Erhaltungszustand. Wolfsfreigebieten hat die EU schon vor Jahren eine Absage erteilt. Und erst im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass an der FFH-Richtlinie festgehalten wird.
Das schert die derzeit Regierenden im weißblauen Freistaat allerdings wenig. Und so begann man denn unverdrossen, über Details zu streiten.
Was bekamen wir da alles zu hören! Dass das Netzwerk Große Beutegreifer nicht funktioniere – wie soll es das, da doch noch (fast) gar keine Wölfe zugegen sind! Wer im aktuellen Fall die Wölfe totschießen soll, wenn die Anordnung dazu ergehe, möglichst mit Namen und Adresse! Kleinkram ohne Ende – das alles auf einem rechtlichen Untergrund, für den Worte wie dünn oder schwankend als reine Euphemismen verstanden werden müssen. Über die substantielle Armut dieses Entwurfs (61 Seiten!), die kapitalen rechtlichen Widersprüche, das totale Fehlen einer Positionsbestimmung, wie der Freistaat Bayern seine Rolle bei der erklärten Sicherung und Erhaltung einer Wolfspopulation sieht – kein Wort. So stellt sich „Politik“ im Jahr 2018 dar (und natürlich gilt das nicht nur für Bayern).
Im November soll eine weitere Besprechung stattfinden – nach der Wahl. Da hat man wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht; denn den kennt noch gar keiner. Umweltminister Marcel Huber (CSU) wird nicht mehr antreten. Ob es überhaupt ein „Schwarzer“ wird, steht in den Sternen. Ziemlich sicher ist derzeit nämlich nur, dass die CSU allein keine Mehrheit erhalten wird. Bekommt Bayern also einen grünen Umweltminister? Der Gedanke übersteigt derzeit jedes Vorstellungsvermögen – aber nach den aktuellen Umfragen werden die Grünen mit Abstand die zweitstärkste Partei und damit die einzige sein, mit der zusammen die CSU eine Regierung bilden kann (Notabene: Ich hoffe insgeheim, dass sich das Umweltressort wieder die Hoheit über das Wolfsthema holt und nicht dem Landwirtschaftsressort überlässt, so wie es derzeit den Anschein hat). Ich wäre nicht überrascht, wenn dann die Debatte über den Managementplan Wolf Stufe III (für Rudel), die nun schon seit mindestens drei Jahren anhält, wieder von vorne anfänge.
Den Wölfen wird das freilich egal sein. Sie kommen so oder so, was immer man im Maximilianeum in München beschließt. Wer im Regen stehen gelassen wird, sind die Weidetierhalter. Sie werden ihren Zorn nicht dort abladen, wo er hingehört, nämlich bei der Regierung – sondern bei den Wolfsfreunden, denen die Untätigkeit und Unfähigkeit der Politik genauso stinkt wie den Landwirten.