Wolfsgerangel in Bayern

Wolfsgerangel in Bayern

37

16.09.2018 von Christian Sebald in der Süddeutschen Zeitung.

Unter Experten verfestigt sich die Einschätzung, dass der „Bayerische Aktionsplan Wolf“ rechtlich nicht haltbar sei. Mit Wolfgang Köck kommt jetzt ein weiterer Spezialist für Umweltrecht zu dem Ergebnis, dass das 61 Seiten starke Papier, mit dem der Freistaat den Umgang mit dem Raubtier regeln will, in seinen Kernpunkten in Widerspruch zum europäischen und deutschen Naturschutzrecht stehe.Köck, der an der Uni Leipzig die Professur für Umweltrecht innehat und am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung das Department für Umwelt- und Planungsrecht leitet, erteilt dem Aktionsplan deshalb eine Abfuhr. Vor drei Wochen hatte der Dresdner Umweltjurist Rainer Wolf ein ähnlich harsches Urteil gefällt. Auch in der bayerischen Naturschutzverwaltung herrschen massive Bedenken gegen den Aktionsplan. Das zeigt eine kritische Stellungnahme der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege. Nach SZ-Informationen hat das Umweltministerium deshalb das Papier der Akademie postwendend kassiert.Der Bauernverband und viele Kommunalpolitiker beharren aber auf ihrer Forderung, die bayerischen Alpen zur „wolfsfreien Zone“ zu erklären und jeden Wolf abschießen zu lassen, der auf einer Alm Schafe oder Kälber reißt. Nach dem Oberallgäuer Landrat Anton Klotz (CSU) hat deshalb nun auch der schwäbische Bauernpräsident Alfred Enderle einen Brandbrief an Umweltminister Marcel Huber (CSU) geschrieben. Darin fordert er den Abschuss des Wolfs, der seit einigen Wochen in den Oberallgäuer Bergen herumstreift. Mit ihrem Aktionsplan Wolf will die Staatsregierung den Bauern entgegenkommen und sogenannte „Präventionsabschüsse“ erleichtern. „Die Almen sind 200 Jahre lang ohne den Wolf ausgekommen“, lautet das Credo, das Ministerpräsident Markus Söder permanent wiederholt. „Ich verstehe nicht, warum das auch in Zukunft nicht so sein soll.“

Umweltjurist Köck hält in seinem Gutachten dagegen, dass Wölfe zum Schutz von Nutztieren nur in absoluten Ausnahmen und nach sorgfältiger Abwägung abgeschossen werden dürften. Das sei klare Vorgabe des europäischen und deutschen Naturschutzrechts. Kriterium für eine solche Ausnahme sei nicht nur, dass alle Schutzmaßnahmen wie Zäune oder Schutzhunde versagt haben oder nicht eingesetzt werden können. Sondern auch, dass der jeweilige Landwirt durch Risse seiner Nutztiere in Existenznot gerate. Außerdem dürfe die Wolfspopulation durch einen Ausnahmeabschuss nicht nachhaltig geschädigt werden. Das Ziel des Aktionsplans, die Wolfspopulation in Bayern auf das „artenschutzrechtlich Erforderliche zu begrenzen“, steht aus Köcks Sicht deshalb ebenso in Widerspruch zum Naturschutzrecht wie der Plan, „nicht schützbare“ Weidegebiete auszuweisen, in denen Wölfe gleichsam pauschal abgeschossen werden dürfen. Diesen Donnerstag findet eine erste Anhörung zu dem Aktionsplan statt. Eingeladen sind unter anderem Bauernverbände und Naturschutzorganisationen. Beobachter rechnen mit einem harten Schlagabtausch.