Wölfische Überraschungen – von Eckhard Fuhr
02.05.2015
An den Wölfen scheiden sich die Geister. Doch in der Forderung nach einer nationalen Strategie im Umgang mit den zugewanderten Beutegreifern scheinen alle vom DJV bis zum NABU einig zu sein. Der Jagdverband will einen Nationalen Managementplan für den Wolf, NABU-Präsident Olaf Tschimpke spricht von einem Nationalen Kompetenzzentrum. Auch in der Politik findet die Idee Resonanz. Sie liegt in der Luft, diese Idee, denn der deutsche Föderalismus ist durch die Wölfe offenbar überfordert. Zwar liegt beim Natur- und Artenschutz die Gesetzgebungskompetenz beim Bund. Die Länder sind jedoch für den Gesetzesvollzug zuständig, damit auch für das Wolfsmanagement. Dazu gehören das Monitoring, also die genaue Beobachtung und Erfassung der Wolfspopulation, die Information der Öffentlichkeit, die Beratung der Weidetierhalter in Sachen Herdenschutz, die Begutachtung und der Ausgleich von Schäden und so weiter. Während sich die Wölfe bei ihrer Ausbreitung naturgemäß um Landesgrenzen nicht scheren, wurstelt jedes Bundesland beim Management für sich. Hier müssen die Schutzzäune 90 Zentimeter hoch sein, dort 1,06 Meter, mal gibt es Entschädigungen auch für Hobby-Schafhalter, mal nur für gewerbliche. Und wann immer die Wölfe wieder einmal auffällig werden, geistern die unterschiedlichsten Angaben zu ihrer Zahl und Verbreitung durch die Medien, weil es die eine Stelle, die ein Journalist anrufen könnte, nicht gibt. Auch der NABU, der sich wie keine andere Organisation die Wolfs-PR auf die Fahnen geschrieben hat, sorgt mitunter für Verwirrung. Seine im ganzen Land verteilten Wolfsbotschafter versorgen Lokalredaktionen mit ihrem Wolfswissen, das meist aus NABU-Broschüren stammt. So kann es passieren, dass beim Auftauchen eines Wolfes in Bayern dort unverdrossen die Leier vom allzeit scheuen Wolf gedreht wird, während gleichzeitig im Norden der Republik sich einzelne Isegrime überhaupt nicht diesem Bild entsprechend verhalten.
Beim Wolfsmonitoring in den Ländern liegt noch manches im Argen. Die Landesjägerschaft, die in Niedersachsen dafür verantwortlich ist, hat sich leider nicht mit Ruhm bekleckert. Oder soll man von einem erfolgreichen Wolfsmonitoring sprechen, wenn drei Monate lang tatenlos zugesehen wird, wie von Wölfen, vielleicht auch nur von einem Wolf, im Raum Vechta mehr als 60 Schafe gerissen werden und wenn problematische Wolfsbegegnungen erst im Nachhinein nach und nach bekannt werden?
Es gibt jetzt nichts Wichtigeres als die Wölfe so genau wie möglich zu beobachten und die Öffentlichkeit rückhaltlos zu informieren. Phrasen über die „eigentliche“ Natur des Wolfes sollte man sich sparen. Wir haben das Glück, die Rückkehr großer Beutegreifer in die mitteleuropäische Kulturlandschaft zu erleben. Das ist ein faszinierender Großversuch, den die Natur selbst veranstaltet. Für die Wölfe ist die Situation ebenso neu wie für uns Menschen. Deshalb muss unbedingt darauf geachtet werden, dass sich nichttolerierbares Verhalten wie etwa Distanzlosigkeit und Zudringlichkeit gar nicht erst etablieren kann. Und wenn solches auftritt, dann dürfen um Vergrämung und Abschuss keine Glaubenskriege geführt werden.
(Der Text ist auch in der Jagdzeitschrift Wild und Hund erschienen).