Wanderwolf in Niedersachsen: Bruno lässt grüßen

Wanderwolf in Niedersachsen: Bruno lässt grüßen

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18.03.2015

Sieht wild aus, ist aber wahrscheinlich ziemlich verunsichert - hier erwischt in Bunde, Niederlande.

Sieht wild aus, ist aber wahrscheinlich ziemlich verunsichert – hier erwischt in Bunde, Ostfriesland.

„Verhaltensauffällig“ – das könnte im Wolfsgeschehen das Wort oder auch Unwort des Jahres werden. Keine Reportage mag auf das stigmatisierende Adjektiv verzichten, wenn von dem Jungwolf berichtet wird, der ungeniert im nordwestlichen Niedersachsen herumstreift. Die wenigsten wissen, wovon sie da reden. Aber keiner verzichtet darauf, den finalen Abschuss als letzte Möglichkeit der Problemlösung zu erwähnen, wenn der Wolf „die Rote Linie“ überschreitet. Dabei hat er bis jetzt noch nicht einmal die Zähne gefletscht. Die Rote Linie – wer zieht die, und wo? Für nicht wenige Menschen hat er sie schon überschritten. Schlicht deshalb, weil er da ist.

Das Wolfsmanagement des Landes versucht es jetzt wie die Bayern vor acht Jahren mit dem Bären Bruno. Der war von Fachleuten, die der Minister herbeigebeten hatte, zu einem Individuum erklärt worden, das der Natur entnommen werden sollte. Entnommen – das heißt erschossen. Eine vernünftige Alternative schien nicht zur Hand.

Bruno war ein verdorbener Bär, a spoiled bear, ein Problembär, ein Risikobär – je nach Sprachregelung. Er war wiederholt in Siedlungen eingedrungen (nicht bloß daran vorbei gelaufen), und da ist sich die Fachwelt (die besteht sozusagen naturgemäß aus lauter Bärsympathisanten) einig: Solch ein Bär kann nicht geduldet werden. Ein Bär ist ein ganz anderes Gefahrenpotential als ein Wolf.

Aber Bären sind nun mal Sympathieträger, und deshalb erhob sich gegen den Schießbefehl ein Sturm der Entrüstung. Also versuchte man, ihn mit Hilfe von finnischen Jagdhunden zu stellen, mit einem Narkosegewehr zu betäuben und in einem Gehege unterzubringen. Das misslang. Deshalb wurde Bruno schließlich erschossen. Aggressiv war er nie gewesen. Aber man wollte es mit gutem Grund auch gar nicht so weit kommen lassen. Der Fangversuch war erfolglos, aber nobel; der finale Abschuss richtig.

In Niedersachsen wird jetzt versucht, einen umherstreifenden, zugegeben besonders unscheuen Jungwolf zu narkotisieren und einzusammeln. Das ist weder nobel noch vernünftig. Es ist von keiner Sachkunde begleitet und nicht zu Ende gedacht und kann eigentlich nur schief gehen.

Vorstellen muss man sich dies: Mit einem Narkosegewehr der üblichen Sorte, wie man es etwa zum Betäuben eines Bullen auf der Weide verwendet, kann man eine große Muskelpartie auf etwa 30 m Entfernung treffen. Wenn das Tier still hält. Einen Wolf sauber zu treffen erfordert viel mehr: Man muss deutlich näher ran, und das Tier muss ruhig stehen und dem Schützen die Breitseite zuwenden. Einen laufenden Wolf tierschutzgerecht (nicht „irgendwo“) zu treffen ist mit dem plumpen, langsamen Narkoseprojektil nur einem sehr, sehr geübten Schützen möglich; vielleicht.

Was für Schützen hat Niedersachsen aufzubieten? Von wem lässt sich das Wolfsmanagement beraten? Wer trifft diese Entscheidungen? Wie konnte es zu der absurden „Treibjagd“ mit einem Hubschrauber kommen, bei der versucht worden sein soll, den Wolf dem Narkoseschützen zuzutreiben? Fragen über Fragen.

Stationen des Wanderwolfes in Niedersachsen und den Niederlanden

Stationen des Wanderwolfes in Niedersachsen und den Niederlanden

Sollte es wider Erwarten gelingen, wird bereits erwogen, das Tier in einem Gehege unterzubringen. Einen wilden Wolf in einem Gehege! Da sträuben sich jedem vernünftigen Menschen die Haare. Vor Jahren hat man in Brandenburg mal einen wilden Wolf narkotisiert und in ein Gehege gesperrt. Beim Versuch, in die Freiheit zu entkommen, hat er sich alle Fangzähne ausgebissen. Deshalb sieht man heute davon ab, solche Tiere einzusperren. Es wäre Tierquälerei. Entweder werden sie frei gelassen, oder sie werden getötet. So schön es wäre, des Wolfes habhaft zu werden und ihn zu untersuchen (ob er etwa krank ist – extrem unwahrscheinlich – und aus welchem Rudel er stammt, via DNA-Analyse), der Aufwand steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur Erfolgswahrscheinlichkeit.

Eine Vergrämung mit Gummigeschossen, vielleicht auch mit Böllern, Schweizer Krachern oder anderer Silvestermunition wäre die Methode der Wahl. Wichtig dabei ist, dass der Wolf das unangenehme Ereignis unmittelbar mit Menschen verbindet, nicht mit einem Fahrzeug. Man muss also aussteigen und sich als Mensch erkennbar machen.

Im Übrigen wäre es hilfreich, sich an den Maßnahmenkatalog zu halten, der sich im Wolfsmanagementplan für Sachsen nachlesen lässt und der auch von anderen Ländern übernommen wurde.