Vor der Wahl, nach der Wahl …
28.03.2018
In diesen Tagen konnte man sich so seine Gedanken machen über den Sinn und Zweck von Wahlen. Wozu braucht man die in Russland oder China, wenn vorher ausgemacht ist, wer gewinnt? Wozu in den USA, wenn Trump dabei rauskommt? Warum haben sich die Briten aus der EU rausgewählt, wenn sie jetzt am liebsten wieder rein wollen?
Von der großen Politik zur kleinen, zur Wolfspolitik. Je nachdem ist es gerade vor der Wahl oder nach der Wahl oder mittendrin, nämlich während der Groko-Verhandlungen.
Es ist kaum zu fassen, worüber sich unsere Volksvertreter da den Kopf zerbrochen haben: Über den sagenumwobenen „Problemwolf“, der so selten ist wie ein weißer Hirsch. Und über die „Entnahme“ von Wölfen aus einer Population, die noch meilenweit entfernt ist von einem günstigen Erhaltungszustand, wie ihn die EU aufgrund der FFH-Richtlinie verlangt. Am lautesten gebärden sich die Politiker dort, wo es noch kaum Wölfe gibt – etwa in Baden-Württemberg, wo der Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) nicht müde wird, jetzt schon einer Entnahme von Wölfen und einer Übernahme der Art ins Jagdrecht das Wort zu reden. Oder in Bayern, wo der Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Almwirtschaftlichen Verein Oberbayern „wolfsfreie Zonen“ fordert. Beide sind bisher nicht imstande gewesen, ein solides Herdenschutzprogramm auf die Beine zu stellen. Dies und nicht ein Hineinreden ins Umweltressort wäre ihre eigentliche Aufgabe.
Besonders schrille Töne sind aus Niedersachsen zu vernehmen, wo sich der neue Umweltminister Olaf Lies (SPD) zum Sprachrohr der Umweltminister aufgeschwungen hat. Seit der neue Landtag gebildet ist, verkündet er der Presse alle naselang, wie er sich den Umgang mit Wölfen vorstellt: etwa „wie in Norwegen.“ Das Land duldet gerade mal 24 Wölfe in seinen Grenzen – aber es ist gar nicht Mitglied der EU und deshalb nicht an die FFH-Richtlinie gebunden. Oder „wie in Schweden:“ Das wiederum sieht sich einem Vertragsverletzungsverfahren der EU ausgesetzt, weil es gegen die FFH-Richtlinie Wölfe bejagt. Im Ernst – soll sich Deutschland solche Fälle zum Beispiel nehmen? Weiß Herr Lies, wovon er redet, wenn er in Brüssel vorstellig wird und seine Gedanken dort zum Besten gibt?
Der Vogel wird derzeit freilich in Südtirol abgeschossen, wo sich ein paar Wölfe angesiedelt haben. Nicht die zuständigen Politiker werden in Brüssel vorstellig, um die (von niemandem bestrittene) Konfliktlage mit den Wölfen zu erörtern – nein: Landesrat Alfons Schuler initiiert eine Petition der Bevölkerung gegen die Wölfe! Dazu instrumentalisiert er sogar den Forstdienst, zu dessen vornehmsten Aufgaben nicht der Widerstand gegen geltendes Naturschutzrecht gehört, sondern genau das Gegenteil: die Verteidigung desselben! Und ein Senator applaudiert dazu. Indem sie die Verantwortung an die Menschen zurückgeben, die sie gewählt haben, stellen die verantwortlichen Volksvertreter in Südtirol das politische System des Landes damit auf den Kopf. Verkehrte Welt.
Die Südtiroler Petition war übrigens vielversprechend angelaufen. Innerhalb von wenigen Tagen hatten 25.000 Leute gegen die Wölfe unterschrieben. Dann schlugen die Tierfreunde zurück. In nur drei Tagen hatten sie 35.000 Unterschriften zusammen. Nun weiß Landesrat Schuler, wo der Hammer hängt.
Natürlich müssen Wahlen sein. Und natürlich möge der Himmel uns davor bewahren, dass Politik durch Petitionen entschieden wird. Aber wenn man zusieht, wie beratungsresistent sich unsere gewählten Volksvertreter in der vergleichsweise „kleinen“ Wolfspolitik verhalten, muss man sich nicht wundern, wie es in der „großen“ zugeht: kreuz und quer. Politikverdrossenheit ist noch das Geringste, was mir dazu einfällt.
Trotz allem wünsche ich Ihnen Frohe Ostern.
Ihr