Skandalöse Zustände in der Almwirtschaft von Südtirol

Skandalöse Zustände in der Almwirtschaft von Südtirol

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27.12.2018

In der Südtiroler Tageszeitung vom 27.12.2018 berichtet Erna Egger über Betrügereien in der Südtiroler Almwirtschaft, die von der Forststation Sterzing aufgedeckt worden sind. Die Erhebungen umfassen 800 Seiten. Es geht um hunderttausende Euro und um Straftaten, die nach italienischen Recht mit bis zu sechs Jahren Haft belegt sind. Rund ein Dutzend Bauern stehen im Fokus der Staatsanwaltschaft.

Schöner Schein: Almidylle in Südtirol.

 

Der Hintergrund: Im Pfitschtal haben ortsansässige Bauern ihre Almweideflächen an ortsfremde, meist norditalienische Großbauern verpachtet. Die treiben aber gar keine eigenen Tiere auf, sondern kassieren fette EU-Beiträge, weil sie über die Pachtverträge beweidete Flächen nachweisen können. Die Großbetriebe verfügen über historisch entstandene Prämienrechte (Zahlungsansprüche), die von 250 bis 1.000 Euro pro Hektar reichen können.

Die Betrügereien sind seit langem bekannt und sicherlich nicht auf das Pfitschtal beschränkt. Aber nicht zuletzt durch die hitzigen Diskussionen über Wölfe und die damit verbundenen Konflikte auf den Almen ist die Almwirtschaft nun ins Visier der Forstbehörde geraten. Diese hat in Italien Aufgaben wie eine Forstpolizei.

Die Forststation Sterzing hat 600 bis 700 ha Fläche kontrolliert und dabei zahlreiche Unregelmäßigkeiten aufgedeckt. So wurden Rinder, die auf der Alm sein sollten, dort nicht vorgefunden, sondern standen in den Ställen im Tal. Dutzende Rinder waren doppelt registriert und „befanden“ sich deshalb in zwei verschiedenen Gemeinden, z. B. gleichzeitig im Zillertal in Österreich und im italienischen Pfitsch. Rinderweiden wurden auf Flächen deklariert, die schon lange nicht mehr beweidet werden und verbuscht oder wieder bewaldet sind.

Den Forstleuten ist auch aufgefallen, dass viele Tiere sehr mangelhaft beaufsichtigt werden. Manche Schafe und Ziegen wurden bis zu vier, fünf Kilometer entfernt von den Flächen gefunden, wo sie eigentlich sein sollten – ohne Weidegenehmigung, ohne Zustimmung der Grundeigentümer.

Was hat das mit den Wölfen zu tun? Eine ganze Menge. Vonseiten der Almwirtschaft wird der Öffentlichkeit gerne das Bild von einer heilen Welt vermittelt, das nun durch die Rückkehr der Wölfe gestört würde. Dieses Bild hat zahlreiche Flecken, nicht nur in Südtirol. Statt sich über Wölfe zu echauffieren, wäre es lohnend, die Almwirtschaft gründlich unter die Lupe zu nehmen: Haltungsbedingungen, Aufsicht, Behütung, Behirtung, Tierwohl, Auswirkungen der Beweidung auf die Natur insgesamt und vieles mehr.

Nicht jeder Verbandsvertreter in Südtirol (und auch bei uns) hat das verinnerlicht. So fühlte sich der Südtiroler Bauernbunddirektor Siegfried Rinner berufen, im Kreis Rosenheim (Oberbayern) vor 300 Teilnehmer gegen die Wölfe zu hetzen. Wie er sich das vorstellt? Mit blutigen Fotos gerissener Tiere, präsentiert von einem aufgelösten Almbauern, müsse „authentisch und emotional“ Stimmung gemacht werden. „Es geht um Symbolik, wir kämpfen um die Deutungshoheit.“  

Herzlichen Dank, Herr Rinner, für die Steine, die Sie da aus Ihrem Glashaus werfen. Besser wäre es. Sie würden sich um das kümmern, was sich vor Ihrer eigenen Haustür abspielt. uw