Schutzjagd: Missverständnis mit Methode?

Schutzjagd: Missverständnis mit Methode?

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24.02.2019

Peter Peuker.

Ein neuer Begriff macht die Runde: die „Schutzjagd“ nach schwedischem Muster. Das Forum Natur, der Deutsche Jagdverband und noch einige andere wollen uns das als geeignete Maßnahme verkaufen, um Weidetiere gegen Wölfe zu schützen. Aber entweder haben sie das Wesentliche der schwedischen Schutzjagd nicht begriffen, oder Forum, DJV etc. wollen uns ein X für ein U vormachen. Peter Peuker nimmt das Ganze auseinander.

 

Die Lage in Skandinavien

Die Skandinavische Wolfspopulation besteht derzeit aus etwa 400 Tieren – 300 in Schweden, 100 in Norwegen.

Der Schwedische Reichstag hat beschlossen, dass die Population 30 Rudel (Familien) bzw. 300 Tiere nicht überschreiten soll, und begreift diese Zahl als Mindestgröße für das Überleben der Population (Minimal Viable Population – MVP). Dieser Wert hat nichts zu tun mit dem „günstigen Erhaltungszustand“ nach der FFH-Richtlinie, der in einer Größenordnung von 1.000 erwachsenen Tieren gesehen wird, also etwa dem zehnfachen (!) Wert der MVP. Als EU-Mitglied ist Schweden (eigentlich) an die FFH-Richtlinie gebunden. Aus Rücksicht auf den Volksstamm der Samen duldet Schweden jedoch keine Wölfe im Rentierweidegebiet. Das ist mehr als die nördliche Hälfte des Landes, 55% des Staatsgebietes, und damit ist ein Zusammenschluss der skandinavischen mit der Finnisch-Karelischen Wolfspopulation ausgeschlossen. Das südliche, stark landwirtschaftlich geprägte Viertel des Landes wird als nicht gut geeignet für eine Besiedlung mit Wölfen betrachtet. Schweden hat also nur einen begrenzten Raum für Wölfe. Bei der EU wird deshalb die Begrenzung der Wolfspopulation hingenommen.

Norwegen, nicht Mitglied der EU und daher nicht an die FFH-Richtlinie gebunden, duldet auf seinem Territorium nur drei Rudel bzw. 24 Tiere. Das ist lediglich ein Zugeständnis an den schwedischen Nachbarn. So werden Grenzrudel nicht angetastet.

Die Skandinavische Wolfspopulation geht auf nur fünf Gründertiere zurück, die nach Ausrottung der Wölfe aus Finnland zuwanderten. Zwei davon haben keine Nachkommen hinterlassen, die sich an der Reproduktion beteiligt haben. Sie ist deshalb durch einen hohen Inzuchtkoeffizienten gekennzeichnet.

Durch Menschenhand (Straßenverkehr ausgenommen) kommen Wölfe in Schweden durch dreierlei Ursachen zu Tode: Durch Schutzjagd, durch Quotenjagd („Licensjakt“) und durch illegale Nachstellung.

Die Schutzjagd

Schutzjagd kommt im Wesentlichen zum Einsatz, wenn andere Maßnahmen zum Schutz von Nutztieren nicht zum Erfolg führen. Von 59 Wölfen, die in den letzten drei Jahren im Wege der Schutzjagd eliminiert wurden, waren 33 (56%) im Rentierweidegebiet, wo Wölfe von Vornherein nicht geduldet werden. Außerdem wurden u.a. zwei Wölfe im Zusammenhang mit einer Hybridisierung getötet sowie ein Rudel (sechs Wölfe) wegen wiederholter Tötungen von Jagdhunden. Zum Schutz von Weidetieren in den etablierten Wolfsgebieten wurden gerade einmal drei (!) Wölfe erlegt – in drei Jahren.

Die Schutzjagd wird in den Rentierwirtschaftsgebieten nicht von Jägern durchgeführt, sondern von Personal der Landesverwaltungen vom Hubschrauber aus.

Vom Hubschrauber aus totgeschossen: „Schutzjagd“ nach skandinavischem Muster..

Die Quotenjagd

Mit der Quotenjagd (schwedisch „Licensjakt“ – nicht zu verwechseln mit der amerikanischen „Lizenzjagd“) soll die „Obergrenze“ von 300 Wölfen eingehalten werden. Die Quotenjagd wird von Jägern vom 02.01. bis 15.02. durchgeführt. Dazu bestimmt die staatliche Naturschutzbehörde (Naturvårdsverket) anhand der Monitoringdaten den Gesamtabschuss und verteilt ihn auf die Provinzen (läns), die ihrerseits diese Quote auf bestimmte Gebiete aufteilen.

Die erste Quotenjagd fand im Jahr 2010 statt. Seitdem wurden Quotenjagden in sechs Jahren durchgeführt. Dreimal (2012, 2013 und 2014) wurde sie durch Gerichtsbeschlüsse untersagt. Im Winter 2019 wurde von einer Jagd abgesehen, weil der Wolfsbestand nur noch ca. 300 Wölfe umfasst.

Im Mittel kam es also nur etwa jedes zweite Jahr zu einer Bestandskontrolle der Wölfe durch die Quotenjagd. Dabei wurden insgesamt 145 Wölfe geschossen –  24 Wölfe pro Jahr mit Jagd bzw.14 in allen Jahren seit 2010.

Illegale Jagd

Seit die Quotenjagd eingeführt wurde, hat auch die illegale Jagd zugenommen, nämlich von 12-13% auf etwa 20% des Gesamtabgangs durch Menschenhand. Die Akzeptanz der Wölfe ist also durch die Einführung der legalen Jagd nicht gestiegen; im Gegenteil. Ein weiteres Ziel der Quotenjagd, nämlich die Verbesserung des Inzuchtkoeffizienten, ist ebenfalls nicht eingetreten (was man sich allerdings von Vornherein nicht vorstellen konnte).

Illegale Jagd kann auch in Schweden schmerzliche Folgen haben. Zwei Männer, die eine Wölfin mit dem Schneemobil bis zur physischen Erschöpfung gehetzt und im Anschluss erschlagen hatten, wurden zu jeweils 24 Monaten hinter „Schwedischen Gardinen“ verurteilt.

Fazit:

Die Schutzjagd dient in erster Linie zur Freihaltung des Rentierweidegebietes von Wölfen, nicht aber zur Einhaltung einer „Obergrenze“ und auch kaum zum Schutz von Weidetieren (außer im Rentiergebiet).

Schutzjagd ist keine Jagd im herkömmlichen Sinne, sondern eine Tötungsmaßnahme meist durch Fachpersonal. Unter Bedingungen wie bei uns ist sie nicht praktikabel, von der Rechtslage gar nicht zu reden.

Die Befürworter einer Bejagung haben eigentlich die „Quotenjagd“ im Sinn, also eine ganz „normale“ Bejagung nach Abschussplan zur Einhaltung von „Obergrenzen.“ Eine solche verstößt mehrfach gegen das Naturschutzrecht und die FFH-Richtlinie.

Peter Peuker / uw