Hybriden im Visier

Hybriden im Visier

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20.12.2014

Wölfe mit Schlappohren, krummen Beinen, Ringelschwänzen – ist das die Zukunft des wilden Isegrim in Europa? Was haben wir, was haben die Wölfe zu erwarten, wenn sich immer mehr Hunde mit Wölfen paaren und also zunehmend Hundegene in die wilde Wolfspopulation einsickern? Ein heißes Thema, und es betrifft beileibe nicht nur Wölfe. Anfang November beschäftigten sich in Grosseto, Italien, eine internationale Runde von Wissenschaftlern mit dem Thema Hybridisierung.

Sechs Hybriden aus dem Jahr 2003 in der Lausitz. Foto S.Koerner@lupovision.

Sechs Hybriden aus dem Jahr 2003 in der Lausitz. Foto S.Koerner@lupovision.

Die Vermischung nah verwandter Arten, Rassen oder Unterarten ist keine Erscheinung unserer Tage. Bleiben wir bei den Wölfen: So lange es Hunde gibt, hat es immer wieder Paarungen von Hunden mit Wölfen gegeben. Da Hund und Wolf ursprünglich zu ein und derselben Art gehören, kann das nicht weiter verwundern. Bis in jüngste Zeit haben z.B. Indianer in Nordamerika gelegentlich eine läufige Hündin im Wald angeleint in der Erwartung, ein Wolf würde sich um sie „kümmern.“ Nicht wenige Hündinnen sind dabei allerdings von Wölfen gefressen worden – was zeigt, dass es Barrieren gibt, die den Kontakt zwischen Wolf und Hund zu einem großen Risiko machen. Die schwarzen Wölfe in der nordamerikanischen Taiga und in Sibirien sollen ihre schwarze Fellfarbe einem Hundegen verdanken. Wölfe sind sie trotzdem; keine Frage.

Wie viel Hund steckt in unseren europäischen Wölfen? Das ist von Land zu Land sehr verschieden. In Italien sollen etwa 20% der Wölfe in Wirklichkeit Hybriden sein – was nur heißt, dass in ihrem Genom Hundegene nachgewiesen werden können. Äußerlich muss man ihnen den Hund gar nicht ansehen. So deutlich wie die Hybriden erster Generation, wie sie im Jahr 2003 in Sachsen aufgetreten sind (siehe Foto) – beachte die spitzen, langen Ohren! – müssen sie nicht immer erkennbar sein.

Wie ist es mit den anderen Wölfen in Deutschland bestellt? Vor einigen Jahren ließ der Verein Sicherheit und Artenschutz Leute aus Finnland bei uns auftreten, die anhand von schlechten Fotos erkannt haben wollten, dass unsere Wölfe Hybriden seien. Eine genetische Analyse von mehreren hundert Proben (Haare, Losung, Urin, tote Wölfe) hat keinen einzigen Hinweis auf Hybriden ergeben.

Zur Verpaarung von Hunden mit Wölfen kann es überall kommen, wo sie zusammentreffen – theoretisch. Praktisch ist es aber so, dass die Tiere beträchtliche Barrieren überwinden müssen, bevor sie sich aufeinander einlassen. Eine hohe Wahrscheinlichkeit für Hybridisierung besteht in Ländern mit vielen frei umherstreifenden Hunden – und Italien ist bekannt für seine verwilderten Hunde, die gelegentlich in Rudeln auftreten und den Wölfen das Leben schwer machen. Auch in Polen, Rumänien und anderen osteuropäischen bzw. Balkanländern sind Hybriden nicht allzu selten.

Sind Hybriden gefährlich? Das hängt davon ab, wer ihre Mutter ist. Ist es eine frei lebende Wölfin, so lernen die Welpen von ihr, dass man den Menschen meiden muss. Ist es eine Hündin, die ihre Welpen im Dorf oder gar im Haus aufzieht, so wachsen Hybriden in unmittelbarer Gemeinschaft mit Menschen heran und entwickeln keine Distanz, tragen aber den hohen inneren Widerstand ihres Vaters gegen eine Zähmung in sich. Solche Tiere sind eine Gefahr für Menschen.

Welchen Schutzstatus haben Hybriden? Da ist die Rechtslage eindeutig – einerseits: Hybriden haben bis in die vierte (!) Generation den gleichen Schutzstatus wie wilde Wölfe. Das heißt: Auch wenn irgendwo Hybriden nachgewiesen werden, bedeutet das noch lange nicht „Feuer frei!“ Dennoch ist in allen Managementplänen die Eliminierung solcher Tiere vorgesehen. Allerdings ist eine Freigabe zur Jagd nicht die zielführende Methode dafür.

Welche Botschaft hören wir aus Grosseto?

Luigi Boitani, Kopf der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE), hat auf meine Bitte die Ergebnisse der Tagung in Grosseto in ein paar Sätzen zusammengefasst:

• Hybridisierung ist in einigen europäischen und asiatischen Ländern weit verbreitet und eine echte Gefahr für die genetische Integrität des Wolfes.

• Gegen Hybridisierung muss so rasch wie möglich eingeschritten werden. Sobald sie sich ausgebreitet hat, kann ihrer Dynamik nur noch schwer oder gar nicht Einhalt geboten werden.

• Hybridisierung ist sehr schwierig festzustellen, besonders nach mehreren Generationen und Rückkreuzungen.

• Wegen ihrer engen Verwandtschaft von Wolf und Hund (gleiche Art im zoologischen Sinn) ist es äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, eine Grenzlinie zwischen Hybriden und „reinen“ Wölfen zu ziehen. Letztendlich geht es nicht um biotechnische, sondern um sozialpolitische Entscheidungen.

• Eine Strategie zum Umgang mit Hybridisierung ist außerordentlich komplex. Eine solche geht von der Eliminierung frei lebender Hunde bis zum Fang bzw. Eliminieren von Hybriden.

Gefahr für die deutschen Wölfe?

Für die deutschen Wölfe stellt sich das Hybridproblem nicht, weil es keine frei herumstreifenden Hunde gibt wie z.B. in Italien oder Griechenland. Wandernde Jungwölfe finden einen wölfischen Geschlechtspartner oder bleiben einsam. Dennoch ist ein intensives Monitoring der Wölfe auch aus der Sicht der Hybridenvermeidung eminent wichtig. Es gilt, den Anfängen zu wehren.