Fuhrs Hund

Fuhrs Hund

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24.12.2014

(Aus der Welt am Sonntag, 07.12.2014)

Weihnachten wird es bei uns wohl gebratenen Rücken vom Damkalb geben. Nach meinem Geschmack ist Damwild das beste Wildbret, das in deutschen Wäldern zu jagen ist. Wölfe sehen das genauso, weswegen es in den Wolfsgebieten schwieriger geworden ist, ein Stück zu erbeuten. Manchen Jägern fällt es schwer, mit den Zuwanderern zu teilen. Andere finden die neuen Mitjäger faszinierend. Unerschöpflichen Gesprächsstoff vor und nach der Jagd bietet der Wolf in jedem Fall.

In den Wäldern des Truppenübungsplatzes Altengrabow an der Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt gibt es sowohl Damwild als auch Wölfe. An einer Fotofalle trabte jüngst die ganze Wolfsbelegschaft vorbei. Aus siebzehn Tieren besteht das Rudel. Allein in diesem Jahr sollen sechs Welpen zur Welt gekommen sein. Deren ältere Geschwister vom Vorjahr haben es offenbar nicht besonders eilig, auf die Wanderschaft zu gehen, sie halten sich an die heimischen Fleischtöpfe. Außerdem gibt es, wie es sich für ein inniges Familienleben gehört, noch ein paar Tanten und Onkel. Ein solcher Clan frisst einiges weg, nicht nur Damhirsche, auch Wildschweine und Rehe. Am vergangenen Wochenende waren Viko und ich zur Jagd in Altengrabow eingeladen. Ich hoffte vor allem, Wölfe wieder einmal zu Gesicht zu bekommen. Was eigene Jagdbeute angeht, waren meine Erwartungen nicht allzu groß. Im Jägerbuschfunk ist schon lange davon die Rede, dass die Wölfe das frühere Damwildparadies Altengrabow fast leer gefressen hätten. So etwas nehme ich zwar nicht wörtlich. Aber der Rückgang der Jagdstrecke in den vergangenen Jahren lässt sich nicht leugnen. Die Wölfe holen sich nun einmal ihren Teil. Doch sie lassen auch etwas übrig. Und so kam ich ganz unvermutet zu meinem Kalb.

Mit Viko konnte ich meine Freude allerdings nicht teilen, weil er wieder einmal über alle Berge war. Er hat sich angewöhnt, sich nach der Jagd auflesen und bequem mit dem Auto zum Treffpunkt bringen zu lassen. Er denkt gar nicht mehr daran, den Rückweg zu mir zu suchen, was mich, wenn ich ehrlich bin, schon ein bisschen kränkt. Vor allem aber mache ich mir im Wolfsgebiet natürlich Sorgen, wenn ich stundenlang von meinem Hund nichts höre und sehe. Eine Begegnung zwischen Hund und Wolf kann, sie muss aber nicht friedlich verlaufen.

Die Förster des Truppenübungsplatzes klagen, dass zu wenige Jäger bereit seien, ihre Stöberhunde im Wolfsgebiet einzusetzen. Die meisten Jagdhunde sind heute auch Familienhunde, denen nichts passieren darf. Nicht nur die Wölfe selbst, sondern auch die Angst vor ihnen beeinträchtigt also den Jagderfolg, denn mit mehr Hunden könnte mehr Wild in Bewegung gebracht werden. Vor allem Wildschweine verschlafen so eine Stöberjagd gern im dichten Unterholz, wenn ihnen die Hunde nicht wirklich zusetzen. Allerdings sahen Viko und ich in Altengrabow jetzt Hunde von wahrhaft Respekt einflößendem Aussehen. Es waren Drahthaar-Vorstehhunde mit kurzen Beinen. Einem Dackel muss es gelungen sein, eine Drahthaar-Hündin zu begatten. Ihr tiefergelegter Nachwuchs lässt es an jeder Possierlichkeit fehlen. Das bodennahe Wuseln dieser doch ziemlich großen Hunde hat fast etwas Insektenhaftes. Als Wildschwein, aber auch als Wolf würde ich ihnen aus dem Weg gehen.

Ihr Eckhard Fuhr