Ein toter Wolf fürs Ego
03.11.2017
In einer eineinhalb Seiten langen Mitteilung informiert das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) darüber, dass der Abschuss eines Wolfes aus dem Rosenthalrudel genehmigt werde. Die Abschusserlaubnis ist auf das Gebiet des Rudels begrenzt und befristet bis 30. November. Geschossen werden darf nur „auf einen Wolf, der die Nutztiere einer Weide außerhalb des Waldes so in Unruhe versetzt, dass die Schutzmaßnahmen von innen niedergetreten werden beziehungsweise er selbst die vorhandenen Maßnahmen überwindet.“
Das Rosenthalrudel in Ostsachsen ist wiederholt durch Übergriffe auf Schafe aufgefallen. Etwa 200 getötete Tiere werden ihm innerhalb der letzten vier Jahre zur Last gelegt – 50 pro Jahr. Der Durchschnitt, bundesweit, liegt bei zehn Tieren pro Jahr. Damit „versaut“ dieses Rudel die ansonsten recht erfreuliche Statistik in Sachsen. Wie kommt’s?
In einer gemeinsamen Erklärung räumen SMUL und Landratsamt ein, dass den Rosenthalwölfen in der Vergangenheit Übergriffe auf Nutztiere wegen unzureichender Schutzmaßnahmen leicht gemacht worden seien. Ins Visier gerät dabei ein Tierhalter, der sich gegen Empfehlungen zur Verbesserung seiner Schutzmaßnahmen von Anfang an gesperrt hat. Sogar das Angebot von Frank Neumann, ihm mit Herdenschutzhunden auszuhelfen, hat er abgelehnt – obwohl Neumann bereits mit einem Wohnwagen angerückt war, um wenigstens in den ersten Nächten vor Ort zu sein. Ist das nicht ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, das Tierhalter verpflichtet, ihre Tiere gegen Beutegreifer angemessen zu schützen?
Mit der Rechtslage will ich mich hier allerdings nicht beschäftigen. Das ist eine Angelegenheit von Juristen. Ich frage mich aber, auf welchen fachlichen Rat sich das SMUL bei diesem fragwürdigen Unternehmen stützt. Es habe seine Einschätzung, dass die Maßnahme „plausibel“ sei, der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes (DBB Wolf) „übermittelt“. Dass die DBB Wolf um fachlichen Rat gebeten wurde, steht da nicht zu lesen. Es gibt auch eine Arbeitsgruppe (AG) Wolf und Herdenschutz, die man hätte konsultieren können. Und es gibt eine AG Wolf und Jagd, die einiges zu sagen gehabt hätte zu dem geplanten Abschuss. Keine wurde einbezogen, obwohl es der Managementplan Wolf für Sachsen nahelegt.
Die Aktion würde Sinn machen, wenn ein einzelner Wolf im Rosenthalrudel als „Rädelsführer“ ausgemacht, identifiziert und erlegt würde. Wenn damit eine Lösung des Problems verbunden wäre, hätte ich nicht das Geringste dagegen. Aber ein solcher Rädelsführer ist nicht bekannt. Was also will man mit dem Abschuss eines (eines!) Wolfes erreichen? Etwa eine Vergrämung der anderen Rosenthaler Wölfe? Das schließt sogar das SMUL aus; denn gegen Übergriffe auf Nutztiere hilft nicht Abschuss, sondern einzig und allein effizienter Herdenschutz.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einem Jäger gelingt, in den dunklen Novemberstunden, gar nachts das Geschehen so zu beobachten und zu beurteilen, wie es die Vorgaben des SMUL für den Abschuss verlangen. Er wird abwarten müssen, ob die Weidetiere unruhig werden und den Zaun niedertreten – erst dann darf er schießen. Oder der Wolf überspringt den Zaun – dann erst darf er schießen. Aber nur auf einen Wolf – auch wenn das ganze Rudel springt. Das sind absurde Vorgaben. Deshalb wird das Ganze entweder misslingen. Oder aber es wird irgendein Wolf geschossen, der gerade mal vorbei kommt.
Dem Landrat Michael Harig, CDU, der seit langem Druck gegen die Wölfe macht, wird das egal sein. Was sich das SMUL bei dieser Angelegenheit gedacht hat, kann ich nicht nachvollziehen. Die Maßnahme ist nicht „plausibel,“ sondern falsch. Sie schadet dem Ansehen, das sich der Freistaat Sachsen bisher mit seinem Wolfsmanagement erworben hat. Sie schadet dem gesamten Wolfsmanagement. Sie wird keinem einzigen Nutztierhalter bei seinen Sorgen weiterhelfen. Die ganze Aktion ist ein Schuss ins Dunkle. Dass dabei möglicher Weise irgend ein Wolf zu Tode kommt, ist von allem noch das geringste Übel.
Das meint Ihr