Der Kongress tanzt in Wartaweil

Der Kongress tanzt in Wartaweil

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10.11.2018

Der Bund Naturschutz Bayern und die Gregor Louisoder Umweltstiftung hatten am 10./11.11.zu einem zweitägigen Herdenschutz-Symposium nach Wartaweil am Ammersee eingeladen. Das Haus war voll. Die Teilnehmer erlebten einen überaus anregenden Gedankenaustausch in konstruktiver Atmosphäre.

Man hat dazugelernt in Wartaweil (Foto Gregor Louisoder US)

Die Veranstalter hatten eine glückliche Hand bei der Auswahl der Fachreferenten (und mit Franziska Baur eine straffe Hand bei der Kontrolle des zeitlichen Ablaufs). Es stellte sich auch rasch eine Stimmung ein, die bei Wolfsveranstaltungen nicht selbstverständlich ist; denn natürlich polarisiert der Wolf, und die Meinungen können hart und unversöhnlich aufeinanderprallen. Mir wurde wieder einmal klar, was wir in den zahllosen Arbeitsgesprächen zum Wolfsmanagement in der Vergangenheit verpasst haben, in Bayern und auch in anderen Ländern. Wie viel Nutzen hätten wir aus den Erfahrungen eines J. Höllbacher (Beratungsstelle für Herdenschutz Österreich) oder Daniel Mettler (AGRIDEA Schweiz) ziehen können! Oder aus dem beeindruckenden Katalog von rechtlichen Lücken, die Rene Gomringer (Bayerischer Landesverband bayerischer Schafhalter) zusammengestellt hat! Oder aus den Erkenntnissen über Herdenschutzhunde von Peter Blanché (Gesellschaft zum Schutz der Wölfe)! Womit ich all die anderen Beiträge nicht kleinreden möchte – im Gegenteil. Gerade die Kontraste im Umgang mit Wölfen hielten uns geistig auf Trab bis in den späten Abend.

Sven de Vries (Foto Louisoder US)

Der war eine Herausforderung der besonderen Art. Da berichtete der Wanderschäfer Sven de Vries in Worten und eindrucksvollen Bildern, wie er in Baden-Württemberg mit über tausend Schafen (!) durch die Zivilisationslandschaft zieht, entlang von Schnellstraßen oder mitten durch Dörfer und Städte. Der Mann ist ein Naturereignis, kann großartig fotografieren und lebt, wenn ich das richtig verstanden habe, zu über neunzig Prozent nicht von den Produkten seiner Tiere, sondern von der Naturschutzarbeit, die eben diese seine Tiere leisten. Ein Augenöffner, was Naturschutz in unserer Landschaft von heute bedeutet. Über Wölfe hörte ich kein einziges kritisches Wort.

Wenn es am zweiten Tag noch einer Verbesserung des Zwischenmenschlichen bedurfte – dafür hatte man Angela Lüchtrath (mediansbüro südlicht) aufgestellt. Ihre Botschaft: Verständnis für den anderen läuft nicht über Information, sondern über Gefühle. Also nicht über den Kopf, sondern durch den Bauch. Angela schritt sofort zur Tat. Sie brachte den ganzen Kongress zum Tanzen! Wolfsfreunde und Wolfsgegner hielten sich paarweise an den Händen und schoben sich übers Parkett – pardon, über den Kies vorm Haus.

Was kam dabei heraus? Hinterher war manches anders. Menschen, die sich vorher noch als „Gegner“ verstanden hatten, schauten sich freundlich in die Augen. Ein Funktionär der Schafhalter, den ich für einen „Feind“ gehalten hatte, verwickelte mich in ein Gespräch, ohne dass ich ihn dazu ermuntert hatte. In den Arbeitsgruppen redete man ungefragt per Du miteinander. Und als ich mich von einem anderen Schafhalter verabschiedete und fragte, ob wir nicht beim Du bleiben könnten, meinte der: “Ja sowieso – warum denn net?“

Als ich heimfuhr, kam es mir vor, als würde mir Isegrim irgendwo verschmitzt zublinzeln. Was Wölfe so bewirken können … uw