Auf den Geschmack gekommen

Auf den Geschmack gekommen

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25.11.2015

Für die einen ist die Wölfin von Vechta ein „Problemwolf,“ den man schießen sollte. Die anderen sehen das Problem beim mangelhaften Schutz der Schafe durch die Hobbyhalter.

Das niedersächsische Wolfsbüro hat am 16.11.2015, zwei Tage nach der Ablehnung des CDU-Antrags zum Abschuss der Vechtaer Wölfin (identisch mit dem „Goldenstedter Wolf“), eine Zusammenstellung der Risse veröffentlicht, die innerhalb eines Jahres im Kreis Diepholz-Vechta dokumentiert wurden. Es sind insgesamt 47 Fälle. 30 Risse (mit 68 getöteten bzw. verletzten Tieren, fast ausschließlich Schafe) gab es auf ungeschützten Weiden, nur zwei Risse (13 Tiere) auf Weiden mit Grundschutz (das ist ein allseits geschlossener Elektrozaun, 90 cm hoch unter mindestens 2.000 Volt Spannung, ein Joule, oder ein fester Maschendrahtzaun 120 cm hoch, jeweils mit Schutz gegen Untergraben). Weitere zehn Fälle sind noch in Bearbeitung, und in fünf Fällen waren Wölfe als Verursacher auszuschließen. Zwei neue Fälle am 21. und 23.11. mit 13 gut geschützten Schafen sind in dieser Aufstellung und in den folgenden Überlegungen nicht berücksichtigt.

"Getüterte" Schafe im Territorium des Rosentalrudels in Niedersachsen: kein Zaun, am Boden angepflockt. Leichtes Spiel für Wölfe.

„Getüterte“ Schafe im Territorium des Rosentalrudels in Niedersachsen: kein Zaun, am Boden angepflockt. Leichtes Spiel für Wölfe.

Genetische Analysen lassen keinen Zweifel daran, dass von den 30 bestätigten Wolfsrissen elf (31 Tiere) auf das Konto der Vechtaer Wölfin gehen. Für einen zweiten Wolf oder gar ein Rudel gibt es keinerlei Hinweise. Man darf also guten Gewissens unterstellen, dass alle Wolfsrisse von ein und derselben Wölfin stammen.

Ein Einzelwolf also, der unverhältnismäßig große Schäden an Nutztieren anrichtet – ist das nicht Grund genug, diesen Wolf als „verhaltensauffällig“ zu erklären und der Natur zu entnehmen, sprich: zu schießen? Das Wolfskonzept 2012 für Niedersachsen schweigt sich darüber aus. In den Managementplänen anderer Länder (als „Blaupause“ gilt der von Sachsen 2014) gilt ein Wolf u.a. dann als „verhaltensauffällig,“ wenn er „wiederholt“ gut geschützte Nutztiere reißt. Streng genommen hat die Vechtaer Wölfin diese Bedingungen erfüllt. Sie hat beim Schäfer Tino Barth zweimal Schutzzäune überwunden, die die Kriterien des Grundschutzes weit übertreffen.

Der Knackpunkt sind aber nicht diese zwei, sondern die anderen 30 Schadensfälle: allesamt bei ungenügend oder gar nicht geschützten Tieren. Hier liegt der Hund begraben: Knut Kucznik von der AG Herdenschutz hat kritisch angemerkt, dass es die Vechtaer Wölfin im Kreis Diepholz-Vechta offenbar leicht hat, immer wieder Schafe zu reißen. So werde die Wölfin regelrecht „ermuntert“, sich immer wieder an Schafen zu vergreifen – schließlich auch an solchen, die mit großem Aufwand gut geschützt werden. Und so muss Tino Barth die Nachlässigkeit von Hobbyschäfern ausbaden, die nicht begreifen wollen, dass man im Wolfsgebiet seine Schafe nicht einfach ungeschützt so rumstehen lassen kann.

Geschützte Schafe im Territorium eines Wolfsrudels bei Neustadt in Sachsen: 90 cm hoher stromführender Zaun, zusätzliche Litze. Es fehlt jedoch der Schutz gegen Untergraben.

Geschützte Schafe im Territorium eines Wolfsrudels bei Neustadt in Sachsen: 90 cm hoher stromführender Zaun, zusätzliche Litze. Es fehlt jedoch der Schutz gegen Untergraben.

Der Schwachpunkt im Herdenschutz sind nicht die gewerblichen Schafhalter, sondern die etwa zehnmal (!) so vielen Hobbyhalter. Sie haben nur wenige Schafe, sie sind nicht in einem Verband organisiert und deshalb schwer erreichbar, und wegen der geringen Zahl ihrer Tiere lohnen sich aufwändige Schutzmaßnahmen nicht. Deshalb werden die Wölfe immer wieder auf unzureichend geschützte Schafe treffen. uw