Zweifelhafte Schützenhilfe aus Schweden
23.11.2017
In Brandenburg brütet das Fachreferat schon seit Monaten über einer „Wolfsverordnung.“ Der erste Versuch ist gründlich schief gegangen. Weil man erst diese Wolfs-VO unter Dach und Fach haben will, wird nun nichts mehr aus der für 2017 vorgesehenen Überarbeitung des Wolfsmanagementplans. So wie die Wolfs-VO angedacht ist – Eingriffe vor dem Erreichen eines günstigen Erhaltungszustands großzügig zu erlauben – kann man damit rechnen, dass sofort dagegen geklagt wird. Damit rückt dann auch eine Überarbeitung des Managementplans in weite Ferne.
Im September hat man sich nun Rat aus Schweden geholt. Ausgerechnet Schweden. Das Land hat nicht nur völlig andere Probleme mit den Wölfen, sondern verstößt auch klar gegen die FFH-Richtlinie der EU, indem es jedes Jahr zwei bis drei Dutzend Wölfe schießen lässt. Dem Vernehmen nach haben die schwedischen Abgesandten den Brandenburgern prompt empfohlen, Wölfe zu schießen. Eine Schützenhilfe am Gesetz vorbei – das ist mehr als eigenartig.
Hier der Kommentar eines Insiders, der die Situation gut kennt, namentlich aber nicht genannt werden will:
Der Schwedische Reichstag hat 170 – 270 Wölfe als erstrebtes Ziel zur Arterhaltung des Wolfes in Schweden festgelegt. Schweden umfasst 450.000 km² Fläche, ist also fast 1,3mal so groß wie Deutschland (357.000 km²). Nach Auskunft der Obersten Naturschutzbehörde des Landes (Naturvårdsverket) lebten im Jahr 2016/2017 ca. 355 Wölfe in Schweden. Die Gesamtzahl in Schweden und Norwegen einschließlich der offiziell bekannt gewordenen toten Wölfe lag bei 430. Der Unsicherheitsfaktor (das Konfidenzintervall) beträgt bei der Ausgangszahl von insgesamt 355 Wölfen 281 – 461.
Seit 2014 arbeitet Naturvårdsverket mit einem neuen Modell bei der Inventarisierung von Wölfen. Man stützt sich verstärkt auf DNA-Proben. Die früheren Schätzungen der Wolfspopulation basierten in der Hauptsache auf der Anzahl des Nachwuchses (Reproduktionen). Bei diesen Schätzungen hat man tote Wölfe (Quotenjagd, Schutzjagd, Verkehrsopfer) nicht mitgerechnet. Die neue Berechnung der Wolfspopulation wird vorerst nur getestet und man wird sich zu einem späteren Zeitpunkt dazu äußern, welche Art der Berechnung man übernehmen möchte.
Der gesamte skandinavische Wolfsbestand stammt von nur fünf Wölfen der finnisch-russischen Population ab. Die Population verfügt daher nur über eine stark eingeschränkte genetische Variabilität (Inzucht). Es sind allerdings einige Wölfe zugewandert, die sich bereits reproduziert haben.
In vier Provinzen durften Wölfe im Rahmen einer Quotenjagd erlegt werden. Dabei wurden insgesamt 25 Wölfe geschossen. Jagdzeit ist vom 2. Januar bis zum 15. Februar. 24 Wölfe wurden innerhalb der ersten Woche erlegt, Wolf Nr. 25 erst am 15. Februar. Ein weiterer Wolf wurde wegen Räudebefall geschossen. Das macht 26 Wölfe insgesamt. Für 2018 beträgt die Zahl der erlaubten Abschüsse 22 Wölfe in fünf Provinzen. Den mehr als 300.000 Jägern in Schweden ist das aber jetzt schon zu wenig.
Weit verbreitete Wilderei
Diese Zahlen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wilderei in Schweden ein großes Problem darstellt. Besonders im Winter, wenn mit Schneemobilen jeder Winkel des Landes erreicht werden kann, nimmt die illegale Jagd zu. Die Provinzpolizei ist überfordert und unterbesetzt. Schweden ist ein zentralistischer Staat, Stockholm wird von vielen Einheimischen aus Mittel- und Nordschweden als Machtzentrum angesehen. Man will sich von Stockholm nichts vorschreiben lassen. Und Stockholm ist weit …
Vor einiger Zeit haben deutsche Ermittlungsbehörden zusammen mit ihren schwedischen Kollegen das erschreckende Angebot an gewilderten, besonders geschützten Tieren erfasst und dokumentiert. Aus Schweden dringt schwerlich etwas an die Öffentlichkeit, man ist bemüht, das Bild des vorbildlichen Staates nicht zu beschädigen. Mit dem Eintritt in die EU 1995 haben aber die geschützten Arten einen besonderen Rechtsstatus erhalten.
Die Behörden im Land gehen so weit, für die kommerzielle Vermarktung z. B. von Bärenfleisch aus Naturentnahme eine EU Bescheinigung (Cites) mit kommerzieller Vermarktungsgenehmigung vorab ausgefüllt zur Verfügung zu stellen, um die Frische des Lebensmittels nicht zu gefährden. Kommerziell vermarktbar sind auch Bärenfelle, Luchsfelle und andere Produkte besonders geschützter Arten. Dies kollidiert mit den bestehenden EU Gesetzen; denn es ist verboten, Naturentnahmen geschützter Arten kommerziell zu handeln. Auch vor dem Fell des Wolfes macht man nicht halt. Der höchste Schutzstatus Anhang A hilft ihm da wenig.
So haben die Samen auch die Einnahmequelle Wolf entdeckt. Ihre Ersatzansprüche richten sich nach dem Vorkommen von Vielfraß, Luchs und Wolf und deren Nachwuchs. Beim Wolf wird eine Reproduktion (d. h. ein Wurf von Welpen) im Weidegebiet der Samen mit 50.000 Euro entschädigt. Das regelmäßige Vorkommen eines Wolfes wird mit 8.000.- Euro ersetzt, das zufällige (unregelmäßige) Vorkommen mit 3.500.- Euro.
Ein Beispiel für das Jahr 2016: Ein Samendorf bekommt für eine (!) Wolfsverjüngung 50.000 Euro. Für das regelmäßige Vorkommen von acht Einzelwölfen in fünf Samengemeinden gibt es 8 x 8.000 = 64.000 Euro. Abgerechnet wird je Samen-gemeinde. Wenn ein Wolf also sein Revier innerhalb mehrerer Samendörfer hat oder seinen Standort wechselt, wird er je als regelmäßig oder zufällig ökonomisch ersetzt. Der Schadensersatz wird auch dann bezahlt, wenn der Wolf später legal geschossen wird.
Auch der Abschuss, häufig vom Hubschrauber ausgeführt, wird aus Steuergeldern finanziert. Die Unterstützung für vorbeugende Maßnahmen wird seltener in Anspruch genommen. Von Seiten der Samen ist man der Meinung, dass – außer der Schutzjagd – vorbeugende Maßnahmen in der Rentierhaltung nicht durchführbar sind. Den größten Anteil der vorbeugenden Maßnahmen im Jahr 2016 kamen der Schutzjagd zu Gute. Ein geringer Anteil wurde für zusätzliches Füttern und Transporte von Rentieren aus Wolfsgebieten benutzt.
Im Jahr 2016 bezahlte das Sameting folgenden Ausgleich für große Beutegreifer:
Für das Vorkommen, also die bloße Anwesenheit 5.312.000.- Euro.
Für Massentötungen von Rentieren durch Beutegreifer 77.800.- Euro.
Für vorbeugende Maßnahmen 72.300.- Euro.
Für das Monitoring der Beutegreifer (Wolf, Luchs, Braunbär, Vielfraß und Steinadler) 310.400.- Euro.
Total 5.772.500.- Euro.
Die Rentiergebiete haben sich in den letzten Jahren ausgeweitet. Das gesamte Rentiergebiet der Samen im Jahr 1999 betrug 264.621 km², heute sind es 323.843 km². Das sind 72 % der Gesamtfläche Schwedens. Allein in der Provinz Jämtland ist das Rentier-Weidegebiet von 57.140 km² auf 112.234 km² vergrößert worden.
Schutzjagd wird auch in Naturschutzgebieten, Naturreservaten und sogar Nationalparks und im
Weltnaturerbe „Laponia“ bewilligt. In Rentier-Bewirtschaftungsgebieten ist kein Wolf zugelassen. Dennoch werden in jedem Jahr hohe Summen an Ersatz für das Vorkommen von Wölfen vom Sameting ausbezahlt. In der Zeit zwischen 2007 bis April 2017 sind legal 77 Wölfe in Rentiergebieten im Wege der Schutzjagd geschossen worden.
Es gibt erhebliche Zweifel an den Angaben der durch Wölfe getöteten Rentiere, auch am Vorkommen von Wölfen oder an den Angaben zur Reproduktion. Diese Angaben sind jedoch unmöglich zu kontrollieren und häufig nicht deckungsgleich mit den Monitoringdaten des Staates. Die Bewilligung der Entschädigungskosten obliegt aber nicht dem Staat, sondern dem Sameting, der Samenregierung.
Die Einnahmen der Samen durch das Entschädigungssystem für Beutegreifer sind mittlerweile ein wichtiger fester Bestandteil ihres Einkommens geworden. Die Tiere werden instrumentalisiert.
Soll dieses System für unsere Bundesländer oder das Bundesgebiet richtungweisend sein?