Kubickis Luftnummer

Kubickis Luftnummer

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21.05.2018

Der Kieler Bundestagsabgeordnete Wolfgang Kubicki (FDP) hat für den Bauernbund Brandenburg ein Gutachten verfasst, in dem er die Ansicht vertritt, ein Wolf könne „in Notwehr“ erschossen werden, wenn er besonders wertvolle Nutztiere oder einen Hund angreift. Freilich nur in einem „eng begrenzten rechtlichen Rahmen.“

Wolfgang Kubicki, rechts Reinhard Jung vom Bauernbund.

Wolfgang Kubicki, rechts Reinhard Jung vom Bauernbund.

Notwehr ist laut Strafgesetzbuch „die Abwehr eines gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs gegen sich oder einen anderen.“ Ein Tier kann sich gar nicht „rechtswidrig“ verhalten, und wenn der Angriff gegen eine „Sache“ gerichtet ist – Nutztiere sind juristisch gesehen „Sachen“ – dann kann das ebenfalls nicht Notwehr sein. Die Medien schreiben unisono von „Notwehr,“ nicht von „Nothilfe“ oder „Notstand,“ was den juristischen Sachverhalt wohl besser getroffen hätte. Kubickis Rechtsgutachten geht also gleich mit einer Begriffsverwirrung los.

Wie sich der Strafrechtler Kubicki den „eng begrenzten rechtlichen Rahmen“ vorstellt, sei im Gutachten nachzulesen – sagte er. Seine umständlichen Ausführungen waren gespickt mit Wenn und Aber. Es muss eine ziemlich komplizierte Materie sein und wohl auch eine schwer nachvollziehbare Auslegung. Den ersten Fall will er vor Gericht vertreten und meint, der Täter müsse straffrei ausgehen.

Kubicki warnt zwar davor, Wölfe zu schießen und auf einen günstigen Ausgang vor Gericht zu vertrauen. Aber genau das hat er nun zu verantworten. Und der Bauernbund sagt ganz offen, dass er das will: ein Exempel; einen Musterprozess. Sein Wolfsberater Frank Michelchen hat umgehend verlauten lassen, er habe jetzt den Jagdschein gemacht. Nicht weil er Zeit habe, auf die Jagd zu gehen – wozu aber dann? Wenn er damit meint, ein solches Exempel herbeiführen zu wollen, muss er sich die Frage gefallen lassen, ob er die Voraussetzungen erfüllt, die von ihm zur Führung einer Jagdwaffe erwartet werden.

Vielleicht ist das alles wirklichkeitsfern. Aber Kubickis Gedankengänge sind noch mehr als das. Erstens muss es sich bei dem angegriffenen Nutztier um ein ganz besonders wertvolles Exemplar handeln. Da reicht es also nicht, wenn ein Wolf irgendwelche Schafe oder Rinder attackiert. Und wenn – dann lässt sich ein Wolf auch ohne Waffengewalt vertreiben. Handelt es sich um einen Hund, so müsse zu diesem eine „besonders innige emotionale Bindung bestehen“ – der Hundebesitzer, der das für seinen Vierbeiner verneint, muss erst geboren werden! Den Gutachterstreit, den man da lostreten kann, will ich mir gar nicht ausmalen.

Stellt sich Kubicki also im Ernst vor, dass die Weidetierhalter künftig mit der Waffe ihre Tiere verteidigen? Sie dürfen eine Schusswaffe nicht einmal mitnehmen – es sei denn, sie sind dort, wo ihre Tiere sich befinden, zur Jagdausübung berechtigt. Das sind die wenigsten. Oder werden Spaziergänger, wenn sie ihren Hund ausführen, künftig bewaffnet sein? Sind wir etwa in den Vereinigten Staaten bei Herrn Trump? Nein, Gott sei’s gedankt. Also graue Theorie. Warum sich Wolfgang Kubicki diese Luftnummer ausgedacht hat, bleibt sein Geheimnis.

Geschäftsführer Reinhard Jung strengte sich redlich an, bei den Pressevertretern – etwa sieben, wenn ich mich nicht verzählt habe – eine optimistische Stimmung zu verbreiten. Aber sein aufgekratztes Gehabe konnte den Eindruck nicht ausräumen, dass ihn das Ergebnis eher enttäuscht hatte. Sorgen, dass jetzt gleich Wölfe im Vertrauen auf Kubicki erschossen werden, mache ich mir keine. uw

Die Pumpe hinter der Luftnummer

Bei dem absurden Vorstoß des Bauernbundes geht es um mehr. Man will endlich mit Waffengewalt gegen die Wölfe vorgehen. Das hatte sich schon bei den Vorgesprächen zur Brandenburger Wolfsverordnung gezeigt, von der sich nicht nur die Wolfsgegner, sondern sogar höchste Kreise im Ministerium unverzügliche Eingriffsmöglichkeiten in die Wolfspopulation erhofft hatten. Dass es anders kam, lag nicht an den Schutzverbänden oder den Wolfsfreunden, wie der Bauernbund unermüdlich behauptet, sondern an den Juristen, die dafür angesichts der Rechtslage auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene keinen Spielraum sahen.

So untauglich der juristische Begriff „Notwehr“ auch sein mag – der Zweck heiligt die Mittel. Der Versuch über den Begriff der „Notwehr“ ist ja nicht der erste in Brandenburg. Vor zwei Jahren hat Dr. Meyer-Ravenstein ein Gutachten für den Landesjagdverband verfasst. Der hatte sich Schützenhilfe für den Fall erhofft, „notfalls“ einen Wolf erschießen zu dürfen, der einen Hund bei der Jagd angreift. Dr. Meyer-Ravenstein kam zu einem Ja – allerdings unter so viel Wenn und Aber, dass man gar nicht erst daran denken konnte. Erfahrene Hundeführer schlugen sowieso die Hände über dem Kopf zusammen bei dem Gedanken, auf einen Wolf zu schießen, der in eine Beißerei mit einem Hund verwickelt ist; denn auf der Strecke bleibt in solchen oder ähnlichen Fällen (etwa mit Wildschweinen) regelmäßig der Hund. uw