Hier irrt der Ökologe
15.06.2019
Josef Reichholf (69) ist ein anerkannter Ökologe und gern gelesener Autor von Büchern mit ökologischer Thematik, auch nicht unumstritten – was einen Wissenschaftler durchaus ehren kann. In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15.06. hat er sich nun in einem ganzseitigen Interview zur Rückkehr der Wölfe geäußert. In einigen Punkten ist dem Münchner Gelehrten gründlich zu widersprechen.
Reichholf erklärt die Rückkehr der Wölfe mit dem Fall der Grenzbefestigungen, weil dadurch „neue Wandermöglichkeiten entstanden“ und mit dem Abzug der Russen „große Truppenübungsplätze aufgegeben“ worden seien, auf denen „nicht gejagt“ wurde. Tatsache ist freilich, dass die Grenzanlagen niemals Wölfe an einer Wiederausbreitung in westlicher Richtung gehindert haben, und dass zweitens sowohl vor als auch nach der Grenzöffnung ein intensiver Jagdbetrieb auf den Übungsplätzen herrschte bzw. herrscht.
Das Rotwild, so Reichholf weiter, werde in den Rotwildgebieten „wie eingepfercht gehalten.“ Wie muss man sich das vorstellen? Am besten gar nicht. Die amtlichen Grenzen von Rotwildgebieten existieren nur auf dem Papier, und überdies nur in sechs Bundesländern und dazu noch genau in jenen, wo Wölfe bisher fast gar nicht vorkommen. In der freien Natur sind diese Grenzen nicht wahrnehmbar.
Reichholf behauptet, Rehe und Hirsche wanderten über große Distanzen ab, wenn die Wölfe zurückkommen. „Wölfe vertreiben das Wild aus den Revieren.“ Das ist ein Märchen. Wo die Wölfe wieder heimisch geworden sind – z. B. in Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen – wird heute von den Jägern mehr Rot- und Rehwild erlegt als vorher, nicht weniger. Und mit den verschiedenen Jagdsystemen kennt sich Reichholf ebenfalls nicht aus: Das Reviersystem finden wir u. a. in Deutschland, Österreich, Skandinavien. Das Lizenzjagdsystem dagegen in den USA.
Dass eine Wolfspopulation in Folge einer Bejagung zunimmt, ist ein weiterer, übrigens weit verbreiteter Irrtum. Und auf die Frage schließlich, wie man sich verhalten solle, wenn man einem Wolf begegnet, greift Reichholf auf die Empfehlung des NABU und anderer Schutzverbände zurück, die es – mit Verlaub – nicht besser wissen: Selbstbewusst auftreten! Lärm machen, Stöcke und Steine schmeißen! Reichholf unterstellt damit, dass Wölfe doch gefährlich sein könnten. Aber das, Herr Professor, ist kalter Kaffee. uw