Die Hybridenhysterie
15.09.2018
Eine Bemerkung voraus:
Wir werden in der Wolfsszene immer mehr mit Fakenews konfrontiert. Eine davon ist die Hysterie um Mischlinge von Wolf und Hund. Deshalb geht es in dieser Ausgabe von Wolfsite in vier Artikeln ausschließlich um dieses Thema.
Als im Jahr 2000 die ersten Wölfe auf deutschem Boden sesshaft wurden, kursierte alsbald das Gerücht, es handle sich dabei um Tiere, die von der russischen Armee gehalten und bei deren Abzug nach der Wende frei gelassen worden seien. Und das seien teils Wölfe, teils Mischlinge aus Wolf und Hund gewesen. Beweise für diese Geschichten hat es nie gegeben. Trotzdem war das Gerücht nicht tot zu kriegen.
Im Jahr 2003 kam es bei Neustadt in Sachsen tatsächlich zu einer Bastardisierung. Eine junge Wölfin aus dem damals einzigen Rudel bei Bad Muskau hatte keinen wölfischen Partner gefunden und sich mit einem Dorfhund eingelassen. Das war Wasser auf die Mühlen der Hybridengläubigen.
Im Jahr 2007 organsierte der „Verein Sicherheit und Artenschutz“ („Sicherheit“ wegen der Angst vor Wölfen, „Artenschutz“ wegen der eingebürgerten Mufflons) ein Symposium. Dazu reisten Gastreferenten aus dem Ausland an. Es wurden einige qualitativ wenig aussagekräftige Schnappschüsse von sächsischen Wölfen präsentiert, die insbesondere finnische Teilnehmer als Bastarde identifizieren wollten. Damit war der Keim gelegt: Das Hybridenthema eignet sich hervorragend für Schauergeschichten, weil es einem wissenschaftlich nicht geschulten Publikum nur schwer zu erklären ist. Da kann man alle möglichen und unmöglichen Vorstellungen so richtig ins Kraut schießen lassen. Und es bedient ein verqueres Reinheits- und Rassedenken, das wir eigentlich hinter uns haben sollten, das aber, wie die politische Lage zeigt, nach wie vor virulent ist und in gewissen Kreisen gut ankommt.
So sorgt sich denn ausgerechnet Frauke Petry, ehemals AfD und inzwischen Spitzenfrau der „Blauen“ in Sachsen, um „die Rassereinheit der Wölfe.“ Und lange schon bläst der deutschstämmige kanadische Professor em. Valerius Geist (80) ins gleiche Horn. Er meint, den „echten“ Wolf vor einem Management schützen zu müssen, das quasi eine Überflutung der Wölfe durch Hundegene Vorschub leiste. Und der einst angesehene Professor für Wildbiologie Michael Stubbe bietet dem ganzen Aufstand mit seiner Gesellschaft für Wildtier- und Jagdforschung (GWJF) ein Podium.
So wächst der Krebs. Mit dem Institut Forgen in Hamburg, das einen guten Namen in der forensischen Genetik hat (hier werden u.a. Straftäter mit genetischen Proben überführt), hat man sich neben der GWJF nun einen weiteren wissenschaftlichen Hintergrund für die Hybridenhypothese verschafft – oder meint dies zumindest. Die Hybridengläubigen berufen sich gerne auf dieses Institut. Denn Forgen hat genetische Analysen vorgenommen, bei denen das Institut Wolfs-Hund-Mischlinge „nicht ausschließen“ konnte. Allerdings hat Forgen bisher keinen einzigen Wolf-Hund-Mischling nachweisen können. Das liegt in erster Linie an den Analysemethoden. Es ist etwa so, als betrachte man ein verwaschenes Fotofallenbild von einem Tier, das einem Wolf oder Hund ähnelt, und stellt dann fest: „Ein Hybrid ist nicht auszuschließen.“ Mit Verlaub: Das ist eine sehr, sehr dünne „Beweislage“ für die Behauptung, unsere Wölfe seien zu einem mehr oder weniger großen Teil Hybriden. Forgen ist dieser Fehleinschätzung bis heute nicht entgegen getreten – im Gegenteil. Es befeuert durch tendenziöse öffentliche Auftritte das Gerücht, wir hätten es mit Hybriden zu tun.
Am 27.04. erschienen im Senckenberg Institut Görlitz Wernher Gerhards, Christian Lissina und Norman Härtner als „Sachverständige“ des Vereins Sicherheit und Artenschutz mit dem Anliegen, die im Museum aufbewahrten Wolfsschädel auf Hinweise hinsichtlich einer möglichen Hybridisierung begutachten zu dürfen. Die Initiative dafür war von den „Blauen“ ausgegangen, die CDU hatte sie übernommen. Prof. Hermann Ansorge ließ die drei gewähren, doch wurde vereinbart, dass eine Veröffentlichung der Ergebnisse mit ihm abgesprochen werden müsse. So ist es Brauch in der wissenschaftlichen Welt. Wenig später erschien ein Ergebnisbericht der drei „Sachverständigen“ an den Landtag – ohne Absprache mit Ansorge. Da wurde behauptet, man habe „neue Beweise“ für Hybriden gefunden. Im Übrigen hat keine der drei Personen bisher „Sachverständigkeit“ nachgewiesen.
In einem neueren Artikel zieht Valerius Geist dennoch unverdrossen und unbelehrbar gegen das Wolfsmanagement in Europa zu Felde – um „den echten Wolf zu schützen.“ Da ist er freilich etwa 15.000 Jahre zu spät dran. Damals, als die Domestizierung des Wolfes zum Hund begann, hätte er einschreiten müssen.
Fazit: Das Gerede um Hybridwölfe ist eine Seifenblase. Aufgeblasen von Leuten, denen jedes Mittel recht ist, um Gründe für die Beseitigung der Wölfe zu finden.