Der Schnee von gestern. Ein Rückblick auf 2017

Der Schnee von gestern. Ein Rückblick auf 2017

41

23.12.2017

Lupo Schnitt

Das Jahr 2017 geht dem Ende zu. Was hat sich in der Wolfsszene getan? Ein kurzer Rückblick:

Im Januar wird in Sachsen der Wolf „Pumpak“ auf Betreiben des Landrats Michael Harig (CDU), Bautzen, zum Abschuss frei gegeben, weil er wiederholt Komposthaufen in Hausgärten aufgesucht und sogar einen Kuchen geklaut hat. Die Abschussfreigabe muss wegen rechtlicher Einwände sofort wieder zurückgenommen werden. Pumpak verschwindet aus dem Tagesgeschehen.

Vor Jahresende 2016 war in Brandenburg der erste Versuch, den Wolfsmanagementplan von 2012 zu überarbeiten, in einer Plenumssitzung mit über 80 Teilnehmern zerredet worden. Im Februar 2017 werden über 40 Stellungnahmen von Behörden und Verbänden eingereicht, mit denen die Fachabteilung am Ministerium die nächste Plenumssitzung im April vorbereiten soll. Diesmal sind es 106 (!!) Teilnehmer. Die Veranstaltung gerät deshalb erst recht zum Desaster. Das Ministerium und die Vertreter der Landwirtschaft setzen nun ihre Hoffnungen auf eine „Wolfsverordnung.“ Die Überarbeitung des Wolfsmanagementplans wird auf unbestimmte Zeit verschoben.

Zu Jahresbeginn nimmt die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes – Wolf (DBB Wolf) ihre Arbeit auf. Sie ist dem renommierten Senckenberg-Institut angeschlossen und hat ihren Sitz in Görlitz.

Im Laufe des Jahres nehmen die Übergriffe auf Rinder im Bereich des Cuxhavener Rudels markant zu. Die Mutterwölfin war im November des Vorjahres erschossen aufgefunden worden. Vom Rüden gibt es im Jahr 2017 keine Hinweise mehr. Anscheinend haben sich die elternlosen Jungwölfe angewöhnt, die ungeschützten Rinder zu belästigen. Immer wieder werden Tiere schwer verletzt oder getötet, die auf der Flucht in den Wassergräben hilflos stecken bleiben. Es gibt zigtausende Rinder im Kreis Cuxhaven, aber die Weiden sind bestenfalls mit einem Stacheldraht umgeben, der von den aufgeregten Weidetieren mühelos durchbrochen werden kann.

Im Juni wird im Nationalpark Bayerischer Wald Wolfsnachwuchs bestätigt. Die Eltern sind eine bereits 2016 bestätigte Wölfin aus der deutsch-westpolnischen Population und ein Rüde aus Italien. Dagegen bleibt eine Bestätigung von Nachwuchs auf dem Übungsplatz Grafenwöhr aus. Mit der Rudelgründung ist die Stufe III des Wolfsmanagementplans gegeben. Aber es kommt weder zu einer Aktualisierung des Plans, noch zu einer Förderrichtlinie, die von den Nutztierhaltern dringend erwartet wird. Der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern (AVO) dominiert die Diskussion, der Landwirtschaftsminister sekundiert – verkehrte Welt im weißblauen Freistaat.

Ebenfalls im Juni wird auf dem Übungsplatz Allentsteig in Österreich, nur etwa 150 km vom Bayerischen Wald entfernt, ein Rudel mit Welpen bestätigt – das erste für Österreich.

Im Juli wird im Schluchsee, Südschwarzwald, ein totgeschossener Wolf aufgefunden. Eine genetische Analyse ergibt: Das Tier stammt vom Schneverdinger Rudel in Niedersachsen.

Übers ganze Jahr versuchen wolfsunfreundliche Kreise, die Wölfe zu unerwünschten Wolf-Hund-Hybriden abzuwerten. Labors mit zweifelhafter Legitimation leisten dabei Schützenhilfe.

Im Herbst werden auf dem Übungsplatz Ohrdruf (Thüringen) sechs Hybriden festgestellt. Der Vater ist ein Hund, dem Personal des Übungsplatzes nicht unbekannt. Die Mutter ist im Jahr 2014 aus dem Spremberger Rudel zugewandert. Die Intention des Ministeriums, die Hybriden zu schießen, wird wegen des Protestes von Wolfsfreunden aufgeschoben. Stattdessen wird versucht, die Tiere mit Kastenfallen zu fangen. Andere Fallen kommen in der Wintersaison nicht in Frage.

Im Oktober entkommen aus einem Freigehege im Nationalpark Bayerischer Wald sechs Wölfe durch ein vorsätzlich aufgebrochenes Tor. Einer wird überfahren, einer wieder eingefangen, zwei werden vom Parkpersonal geschossen. Wieder protestieren Wolfsfreunde energisch gegen das Abschießen der Gehegeflüchtlinge. Einer der Ausreißer wird Wochen später in der Nähe von Linz (Österreich) dabei beobachtet, wie er am hellen Tag einen Hahn fängt und verzehrt. Der andere ist verschwunden.

Im November wird in Sachsen – wieder auf Betreiben des Landrats Michael Harig – die Genehmigung zum Abschuss eines Wolfes aus dem Rosenthalrudel erteilt. Das Rudel ist wiederholt durch Übergriffe auf geschützte Schafe aufgefallen. Die Genehmigung, bis Ende November befristet und ohnehin so formuliert, dass sie zum Misserfolg verurteilt war, wird wegen schwer wiegender rechtlicher Einwände umgehend zurückgenommen.

Im November gibt das BfN den Status der Wolfspopulation zu Ende des Monitoringjahres 2016/17 bekannt: 60 Rudel, 13 territoriale Paare, drei ortsfeste Wölfe sind bestätigt worden. Wenige Tage vorher weiß es Mecklenburg-Vorpommerns Agrar- und Umweltminister Till Backhaus besser: Es seien bundesweit über tausend Wölfe, der günstige Erhaltungszustand sei damit erreicht.

Mehrere hochrangige Politiker erheben Forderungen nach Eingriffsmöglichkeiten in die Wolfspopulation. Vordergründig werden dabei „Problemwölfe“ genannt, auch immer wieder die Festlegung von „Obergrenzen,“ und sogar „Hybriden“ müssen herhalten. Das Bestreben, Wölfe zu schießen, tritt unverhohlen in den Vordergrund. Einen Höhepunkt erreichen die Forderungen in den Wochen vor der Bundestagswahl bzw. der Landtagswahl in Niedersachsen. Danach ist wieder Ruhe.

Im Dezember macht die endgültige Fassung der Brandenburger Wolfsverordnung die Runde. Im neuen Jahr soll sie verabschiedet werden. Beim Forum Natur, das sich die Wortführerschaft der Nutztierhalter, der Bauernverbände und des Landesjagdverbandes angeeignet hat, ist die Enttäuschung groß. Von den Schutzverbänden erfolgt kein Kommentar. Die Verordnung regelt den amtlichen bzw. bürokratischen Umgang mit verhaltensauffälligen Wölfen und mit verletzten Wölfen. Das ist in Ordnung. Eingriffsmöglichkeiten in die Population, wie sie sich manche Nutztierhalter vorgestellt haben, sind nicht vorgesehen. Man kann mit dieser Verordnung gut leben.

Aus den Nachbarländern erreichen uns ebenfalls Nachrichten, die die erstaunliche Ausbreitung der Wölfe bestätigen: Ein erstes Rudel gibt es seit Sommer 2017 (außer in Bayern) in Dänemark (gegründet aus Wölfen von Sachsen), in Österreich seit 2016 (Allentstein), und (noch unbestätigt) vier oder fünf Rudel in der tschechischen Republik.

Dieser Rückblick – stimmt er uns froh, oder überwiegt der Ärger? Das muss jeder für sich ausmachen. Ich persönlich bin nicht unzufrieden. Es hätte schlimmer kommen können.

Welche Wünsche haben wir für das neue, das nächste Jahr? Dazu fällt mir einiges ein. In ein paar Tagen stelle ich es hier zur Diskussion.

Ich wünsche Ihnen frohe Feiertage. Bleiben Sie munter.

Ihr

Unterschrift UW 30