Das ZDF – auf dem zweiten Auge blind

Das ZDF – auf dem zweiten Auge blind

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19.06.2016

Christof Schenck, Geschäftsführer der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft, kommentiert eine Sendung des ZDF über Wölfe.

Dr. Christof Schenck ist Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.

Dr. Christof Schenck ist Geschäftsführer der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt.

Bereits zum zweiten Mal wird im öffentlichen Fernsehen eine völlig einseitige Reportage zum Thema „Wölfe in Deutschland“ präsentiert. Erst von Beckmann in der ARD, nun vom ZDF, am Sonntag, 19.06., 18:00, zur besten Sendezeit und bei Dauerregen – da bleibt der Grill kalt und zum Tatort ist noch genug Zeit. Da kommt der Wolf gerade richtig an die Haustüre.

Schon die ersten Minuten lassen aufhorchen. Da wird einem Schäfer, der gerade liebevoll ein Lamm auf den Arm nimmt und dessen Bluetooth-Stecker im Ohr Modernität suggeriert, viel Sendezeit gegeben. Hinterhältig und gemein sei der Wolf. „Ein widerlicher, gemeiner, feiger Räuber in der Nacht“. In welcher Zeit leben wir? „Nüscht edles, nüscht heroisches und uf keenen Fall so ein heulendes Wesen, was man so auf nem T-Shirt betrachten kann“. Mit diesem Intro nimmt der suggestive „Journalismus“ Fahrt auf:

Berichtet wird vom Leiden der Lämmer, vom Wolf, dem Tier „mit Migrationshintergrund“, von Machtlosigkeit gegenüber dem vorher als „gemein“ titulierten Tier, von 2.000 Wölfen, die Mensch und Haustier die Freiheit rauben, vom Wolf als heilige Kuh der „Balkonbiologen“ aus der Stadt, die sich aus Unwissenheit über diesen Räuber freuen und sich von einer grenzenlosen Wildtierliebe leiten lassen. Es wird berichtet, wie der Angriff auf den Hund lautlos erfolgt, wie Menschen sich ins Auto retten, wie die Angst umgeht in den Dörfern der Republik, von Ohnmacht und von Wut ist die Rede, von der Tour zu den toten Tieren, von Mutterkuhhaltung und Weidetierhaltung, die aufgegeben werden müsse. Kühe ganzjährig im Stall – wegen Wölfen? Als ob das nicht landauf, landab schon lange gang und gebe wäre. Die Weiden bleiben leer, die Landschaft verändert sich. Natürlich ist auch jedes tote Schaf ein wertvolles Zuchtschaf oder ausgerechnet das Lieblingstier, das vielleicht sogar als kleines Lamm mit der Flasche aufgezogen wurde. Eine kleine Tochter wird ihrer Freiheit auf dem Land beraubt, nie mehr wird sie alleine ausreiten können oder alleine mit dem Fahrrad die Großeltern besuchen können. Wie viel mehr Märchen geht noch?

Schäfer nehmen das Wort Biodiversität in den Mund und haben doch keinerlei Ahnung davon. Haustierhaltung wird mit Offenland und Artenvielfalt gleich- und dem Wolf mit „Verbuschung“ und „Wildnis“ entgegengesetzt. Wolf gegen Kiebitz – und all das bleibt unkommentiert.

Fachleute, Experten, Behördenvertreter, Biologen, Naturschützer, Jäger kommen nicht zu Wort. Andere Arten, vom Wildschwein bis zur Wespe, mit denen wir auch leben müssen und leben wollen und die vielleicht auch Auswirkungen auf uns haben, werden nicht genannt. Vergleiche bleiben aus – natürlich auch zu anderen Ländern, die vielleicht besser mit großen Beutegreifern zurechtkommen. Die Landwirtschaft wird wie üblich schöngeredet, Massentierhaltung, Industrialisierung, massiver Artenverlust flächig in der Landschaft gegenüber gerade mal 0,6% Wildnis in Deutschland – all das bleibt außen vor. Schafe in der Schlachtung werden natürlich nicht gezeigt – denn diese Grausamkeit will man ja nur dem Wolf zuschreiben, keineswegs dem tierliebenden Schäfer.

Hobbyzüchter werden mit gewerbsmäßigen Viehhaltern gleichgesetzt, obwohl der Gesetzgeber den Unterschied klar erkennt und natürlich auch keinem Mountainbiker sein Rad entschädigt, wenn er über eine Wurzel stürzt. Dass Taubenzüchter Wanderfalken vergiften und unter dem Druck von Hobbyschafhaltern Wölfe geschossen werden ist illegal, strafbar und muss verfolgt werden. Nur fällt darüber kein Wort. Nicht ein einziges.

Alles ist schwarz/weiß oder gut und böse in diesen unsäglichen 30 Minuten. Es passt dazu, dass die einzigen gezeigten Wolfsbefürworter solche sind, die Wölfe völlig unnatürlich im Gehege halten, die ein falsches Bild des Wildtieres vermitteln, die mit den Wölfen schmusen und die mit Indianerzitaten meinen, die Schäfer bekehren zu können.

Irgendwie rührend wirkt es zum Schluss, dass die emotionalisierten Besucher des Wolfsgeheges dem Schäfer, der sich „in die Höhle des Löwen“ gewagt hat, Geld für einen besseren Zaun spenden. Die Vorstellung, dass damit eine friedliche Zukunft des Wolfes in Deutschland eingeläutet wird, ist an Naivität kaum zu überbieten.

Wer macht solche „Reportagen“ und warum? Wie gelingt es Lobbygruppen, so tief in die öffentlich-rechtlichen Sender vorzudringen, dass Redakteure und Autoren jegliche journalistische Moral und Ethik der Berichterstattung an der Garderobe abgeben? Das sind die interessanten Fragen des Abends.