Widerspruch: Kein Schnellschuss aus der Hüfte! Zum Artikel von E. Fuhr

Widerspruch: Kein Schnellschuss aus der Hüfte! Zum Artikel von E. Fuhr

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15.01.2015

„Ein Raubtier, das um Kinder schleicht, wie in Niedersachsen geschehen“, meint der bekennende Wolfsfreund Eckhard Fuhr, „muss erschossen werden“. Ist in Goldenstedt ein Wolf „um Kinder geschlichen?“ Nein. Man hat einen Wolf gesehen, in der Nähe des Waldkindergartens. Mehr nicht.

Dem sonst so besonnenen Eckhard Fuhr muss der Schreck so richtig in die Glieder gefahren sein. Ein Wolf am Kindergarten! Aber was wir in einem solchen Fall überhaupt nicht brauchen können, ist Hektik, Panik, Aktionismus. Ein Blick in den Katalog der Verhaltensregeln (steht in jedem Managementplan), wie mit „verhaltensauffälligen Wölfen“ umzugehen ist, hätte weiterhelfen können. Ist das niemandem in Niedersachsen eingefallen? Ich vermisse eine besonnene Stimme aus dem Wolfsmanagement, höre nur Wortgeklingel, darunter natürlich auch die dümmste aller Beschwichtigungsformeln (von einem NABU-Wolfsberater, nicht vom offiziellen Wolfsmanagement): „Der Mensch ist nicht Teil des Beuteschemas von Wölfen!“ Wenn das doch endlich auch die Wölfe in Indien und im Iran begreifen würden, die jedes Jahr Kinder umbringen …

Der Wolf sei „nicht scheu“ gewesen, heißt es. Auch das ist nichts Besonderes. Gerade junge Wölfe auf Wanderschaft sind naiv bis neugierig, und wenn sie keine schlechten Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, kommen sie ihm manchmal auch recht nahe. Wölfe stehen in der Hierarchie einer Lebensgemeinschaft hoch oben – warum also sollen sie sich fürchten wie die geborenen Beutetiere Reh, Hirsch oder Hase? Wen sie fürchten, ist der Mensch – Folge einer Nachstellung seit (wahrscheinlich) Menschengedenken. Das hat sich genetisch verankert.

Nichts am Verhalten des Wolfes von Goldenstedt war also „auffällig.“ Wahrscheinlich ist er auf seiner Erkundung des Gebietes eher zufällig an einem Waldkindergarten vorbei gekommen. Hat er irgendein verdächtiges Interesse an den Kindern gezeigt? Offenbar nicht. Aber wenn all das ein Grund zum bewaffneten Einschreiten wäre – dann sollten wir umgehend Posten überall im Lande aufstellen, wo ein Wolf Kindern begegnen kann. Überall, zumindest in allen Wolfsländern, derzeit sechs, Tendenz steigend. Denn jederzeit kann an jedem beliebigen Ort im Wolfsgebiet (und nicht nur dort) ein Wolf auftauchen. Am Kinderspielplatz, an einer Schulbushaltestelle, auf einer Wiese hinterm Haus …

Das ist genau das bedrohliche Scenario, das uns von Wolfsgegnern unablässig vorgehalten wird. Und das nichts mit der Wirklichkeit bei uns in Europa zu tun hat. Hier leben etwa 12.000 Wölfe Seite an Seite mit Menschen – und nichts passiert.

Ulrich Wotschikowsky