Viele offene Fragen um gerissenen Jagdhund

Viele offene Fragen um gerissenen Jagdhund

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22.02.2018

Am 30.01.2018 wurde eine Deutsche Bracke auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz von einem Wolf getötet. Es ist der bisher einzige Fall in ca. 330 Rudeljahren. Durch genetische Analysen ist der Urheber zweifelsfrei als der Daubitzer Rudelführer identifiziert. Es war also nicht der polnische Wolf, der fünf Wochen vorher zwei Hunde getötet hat und als verhaltensauffälliger Wolf geschossen wurde. Der Eigentümer der getöteten Bracke hat einen detaillierten Bericht über das Geschehen auf der Website JAWINA veröffentlicht. Er wird hier gekürzt wiedergegeben. Bitte lesen Sie den Kommentar: Der Bericht wirft einige Fragen auf.

Bericht zum Vorfall vom Eigentümer des Hundes Jan Prignitz:

Schock für Herrchen: die gerissene Bracke.

Schock für Herrchen: die gerissene Bracke.

Am 30.01.2018 um 14:25 Uhr wurde die Deutsche Bracke „Ajax von der Muskauer Heide“ zur Suche nach Wild geschnallt. Der Hund suchte bis ca. 15:00 Uhr im Nahbereich um den Führer (bis zu 300 m) nach Wild. Er wurde zwischenzeitlich auch mal laut, kehrte aber mehrmals zum Führer zurück. Gegen 15:05 Uhr findet der Hund Rotwild und entfernt sich Richtung Süd-West vom Führer mit dem Wild. Der Führer kennt die Wechsel und macht sich bereit, das Wild eventuell zu erlegen, wenn es den Rückwechsel annimmt.

Um 15:16 Uhr überfällt der Hund laut jagend die Zufahrtstraße zum Panzerschießplatz in der Nähe der Bundesstraße 115 und wird dabei von einem Wachposten der Bundeswehr an der B 115 gehört.

Die Jagd setzt sich jetzt mehr oder weniger parallel der Bundesstraße nach Süd-Ost fort. Um 15:20 Uhr verliert der Hund die Rotwild-Fährte und schlägt einen größeren Kreis, um die Fährte um 15:21:35 wieder aufzunehmen.

Um 15:23:41 Uhr überfällt der Hund eine Panzertrasse 20 m neben der Rotwildfährte auf die Fährte zu. Das Bild der Fährten auf dieser sandigen Panzertrasse lässt die Schlussfolgerung zu, dass zu diesem Zeitpunkt schon mindestens ein Wolf dem Hund in zügigem Tempo folgte. An diesem Punkt ist der Hund ca. 1.500 m Luftlinie vom Führer entfernt. Das GPS-Signal des Hundes bewegt sich die gesamte Zeit bis 15:33:52 Uhr und verharrt maximal 13 s an einer Stelle.

An diesem Kampfplatz wird der Hund wahrscheinlich getötet. Die folgenden Bewegungen des GPS-Signales beziehen sich wahrscheinlich auf das Bewegen des Kadavers des Hundes auf der Suche nach einem Platz mit Deckung zum Fressen des Hundes. Um 16:06 Uhr ist etwa die Fundposition erreicht.

Da der Hund nicht mehr zu hören ist und das GPS-Signal des Halsbandes bei ca. 1.000 m Entfernung nicht mehr empfangen wird, begibt sich der Führer auf die Suche nach dem Hund. Er fährt mit dem Fahrzeug in die Richtung des letzten Signalempfanges. Dabei trifft er den Wachposten der Bundeswehr, der ihm den laut jagenden Hund bestätigt. Bei der Fahrt auf der B115 kommt das Signal des Halsbandes wieder und der Führer kann jetzt gezielt nach dem Hund suchen.

Um 16:20 Uhr wird der Hund durch den Führer gefunden. Der kurze Zeitraum zwischen letzter größerer Bewegung des Signals und Auffinden (Foto machen) spricht dafür, dass der Wolf beim Fressen des Hundes gestört wurde und sich zurückzog.

Es folgen Mutmaßungen von Jan Prignitz, wie der Hund getötet wurde, doch räumt er ein, dass es sich dabei um Annahmen handelt. Außerdem zieht er Schlussfolgerungen aus dem Fall, die hier nicht weiter erörtert werden sollen.

Kommentar

Wotsch ARDJan Prignitz gilt mein ganzes Mitgefühl. Ich habe selbst Hunde geführt und weiß, wie schmerzlich der Verlust eines vierbeinigen Jagdkameraden ist. Gerne bekunde ich auch meinen Respekt über den sehr sachlichen, emotionsfreien Bericht. Die Gerüchte werden in den nächsten Tagen und Wochen heftig ins Kraut schießen. Deshalb ist dieser Bericht aus erster Hand besonders wichtig. Allerdings enthält er einige bemerkenswerte Ungereimtheiten.

Schon vor Wochen, als der Vorfall bekannt wurde, hatte es geheißen, die Bracke sei nicht von ihrem Besitzer, sondern einer anderen Person ausgeführt worden und habe sich selbständig gemacht. Der Bericht von Jan Prignitz gibt dazu keine Auskunft. Es ist nur die Rede von dem „Führer“ des Hundes. An keiner Stelle schreibt er von „meinem“ Hund.

Die geschilderten jagdlichen Umstände sind überaus fragwürdig. Da soll also ein Hundeführer seine Bracke „zur Suche nach Wild“ geschnallt haben – in unmittelbarer Nähe zu einer Bundesstraße. Offenbar war er allein unterwegs, es war keine Gesellschaftsjagd. Ich kenne den Jagdbetrieb wie auch den Leiter, Franz Graf Plettenberg (richtig: jener Graf P., dessen Terrierhündin im Jahr 2002 von einer Wölfin getötet worden war, nachdem sie sich von ihm entfernt hatte). Wiederholt habe ich bei Graf P. an Jagden teilgenommen. Solche Einzeljagden mit einem Hund, noch dazu während der Paarungszeit und im Territorium eines Wolfsrudels, kommen bei Graf P. nicht vor.

Es ist – leider muss ich das so deutlich sagen – grobe Fahrlässigkeit, einen Jagdhund allein und während der Paarungszeit im Territorium eines Wolfsrudels frei auf die Suche zu schicken. Der Führer des Hundes hat eine Szene nachgestellt, wie sie in Schweden immer wieder vorkommt: Man schickt einen weit und laut jagenden Hund, z. B. eine Bracke oder einen Elchhund, zur freien Suche. Jedes Jahr werden ein bis zwei Dutzend Jagdhunde in Schweden bei solchen Gelegenheiten von Wölfen getötet. Das weiß bei uns inzwischen jeder Hundeführer – oder er sollte es zumindest wissen.

Ich frage mich allerdings, ob es sich überhaupt um einen jagdlichen Einsatz gehandelt hat. Dieses Unternehmen – Einzelschütze, ein einziger Hund, neben einer Bundesstraße: Das reimt sich nicht zusammen. Und Prignitz spricht kein einziges Mal von „seinem“ Hund. Nichts deutet darauf hin, dass er selbst bei dem Geschehen zugegen war. Ich glaube vielmehr, dass nicht Prignitz, sondern eine andere Person den Hund bei sich hatte und dass dieser nicht „zur Suche nach Wild geschnallt“ wurde, sondern sich selbständig gemacht hat.

Die über 150 Leserkommentare auf JAWINA sind von einer unsäglichen Polemik geprägt. Anstatt sich mit dem Bericht im Detail zu befassen, fällt man bissig übereinander her. Die Unstimmigkeiten sind dagegen keinem (!) aufgefallen.

Wie immer sich die Details auch abgespielt haben – eins ist jedenfalls klar: Die Schuld am Tod dieses Hundes hat nicht der Wolf, sondern jene Person, die den Hund bei sich hatte und auf ihn aufpassen sollte.

Ulrich Wotschikowsky