Verhaltenskodex – ja bitte, aber für wen?

Verhaltenskodex – ja bitte, aber für wen?

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06.06.2016

Wotsch ARD

Man hat mir vorgeworfen, dass ich mich regelrecht einschieße auf das Wolfsmanagement in Niedersachsen. Da ist was dran. In diesem Land sprießen die Fehlgriffe im Umgang mit den Wölfen wie die Schwammerl im warmen Sommerregen. Diesmal sind es gleich zwei Ereignisse. Das Ministerium überrascht seine Wolfsberater mit einem Verhaltenskodex. Und es lässt sich wochenlang Zeit damit, einen schwer verletzten Wolf versorgen oder töten zu lassen (siehe Aktuell).

Einen Verhaltenskodex hätte ich mir schon vor einem Jahr dringend gewünscht, als sich der eine oder andere zu den Ereignissen in Diepholz und in Munster äußerte. Da wurde erschreckend deutlich, dass man im Land keinen Plan hatte, wie mit solchen Ereignissen umzugehen sei. Und dass die etwa 120 Wolfsberater wohl ziemlich willkürlich ausgesucht und danach nicht gründlich genug auf ihre Aufgaben vorbereitet worden waren. Das alles ist der rotgrünen Regierung nicht anzulasten, sondern – wenn schon – dann der schwarzgelben, die das Sagen hatte, als sich die ersten Wölfe im Lande einfanden.

Aber nun haben wir Rotgrün. Und immer noch ein „Wolfskonzept“, das so vage formuliert ist, dass es als Handlungsleitfaden nicht taugt. Immer noch liegt die Zuständigkeit für das Wolfsmonitoring nicht bei einer neutralen Stelle, wo sie hingehört, sondern bei einem Interessenverband, der Jägerschaft – auch das eine schwarzgelbe Altlast. Immer noch hat das Land keinen Managementplan, der die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten regeln sollte.

In dieser verworrenen Lage hält es nun die Landesregierung für angebracht, den ehrenamtlichen Wolfsberatern einen Verhaltenskodex über ihre Rechte und Pflichten verpassen zu müssen. Wer eine Marschrichtung vorgeben wolle, müsse erst mal selbst eine haben, meint dazu Klaus Bullerjahn, Wolfsberater in Uelzen. Helge John und Frank Fass, beide Wolfsberater, sind einem Verhaltenskodex nicht abgeneigt, wollen sich aber keinen Maulkorb verpassen lassen. Theo Grüntjens, ebenfalls Wolfsberater, befürchtet, dass eine falsche Botschaft vermittelt werde. In der Bevölkerung glaubten ohnehin viele, dass die Wolfsberater die Fakten über Wölfe schönen würden. Und jetzt, so Grüntjens, werde spekuliert, dass sie nicht einmal mehr sagen dürften, was sie denken.

Der vermutlich angefahrene Wolf: Die Verletzung am rechten Vorderlauf ist noch nicht erkennbar.

Der vermutlich angefahrene Wolf: Die Verletzung am rechten Vorderlauf ist noch nicht erkennbar.

Wie bestellt lief nun bei Uelzen wochenlang ein verletzter Wolf herum, der Menschen auf kurze Entfernung an sich rankommen ließ, sich immer wieder niederlegen musste, weil er offenbar große Schmerzen hatte – aber das Ministerium meinte offenbar, die Sache schlicht ignorieren zu müssen. Es gebe „den Grundsatz“, einen humpelnden Wolf nicht zu verfolgen, ließ es seinen Pressesprecher verkünden. Und verwies darauf, dass „grundsätzlich der jeweilige Landkreis für die Einzelfallentscheidung zum Umgang mit einem verletzten Wolf zuständig“ sei. Eine Kontaktaufnahme mit dem örtlichen Wolfsberater (Theo Grüntjens) hat man nicht für erforderlich gehalten.

Die üble Verletzung ist an dem betäubten Wolf deutlich erkennbar. Das Tier wog gerade noch 15 kg.

Die üble Verletzung ist an dem betäubten Wolf deutlich zu sehen. Das Tier wog gerade noch 15 kg.

Es ist richtig, dass man streng geschützte Tiere nicht verfolgen darf, auch dann nicht, wenn sie lahmen. Aber dieser Wolf hat nicht bloß gelahmt, sondern er war schwer verletzt und hatte offenbar große Schmerzen. Dem Ministerium und dem Landesamt war das bekannt. Trotzdem wurde über Wochen nichts getan, um das Tier zu versorgen oder tierschutzgerecht zu töten. Es habe sich doch von allein fortbewegt, heißt es. Für mich ist das eine Pervertierung des Artenschutzgedankens und mit dem Tierschutz nicht vereinbar.

Es ist höchste Zeit für einen Verhaltenskodex – und zwar für das Ministerium und das Landesamt. Der für die Wolfsberater kann warten.

Ihr

Unterschrift UW

 

 

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