Unkontrollierte Vermehrung – ein Märchen

Unkontrollierte Vermehrung – ein Märchen

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Genau hinschauen – dann sieht man einiges anders. Foto: Walter Rienzner.

26.10.2014

Warten Sie schon längst auf neue Nachrichten und Auseinandersetzungen in Wolfsite? Ich bitte um Nachsicht, aber ich habe mich mal ausgeklinkt – in den Nationalpark Yellowstone. Es hat sich gelohnt. Nach zwei Wochen im Mekka der Wölfe sieht man viele Dinge anders. Meine Skepsis gegenüber den Jubelmeldungen, wonach die Anfang der 1990er Jahre dort wieder angesiedelten Wölfe nun das Ökosystem umkrempeln und gesund machen (wenn es denn je krank war), diese Skepsis hat sich voll bestätigt: Die Dinge sind bei Weitem komplizierter. Bevor ich darüber berichte, brauche ich aber noch einige Zeit zum Nachrecherchieren.

Bei uns im Lande zeigt das komplizierte Puzzle des Monitorings weiterhin einen Aufwärtstrend, allerdings bei Weitem nicht so steil, wie er sein könnte. Ich frage mich, wo die vielen Jungwölfe bleiben, die jedes Jahr geboren werden. Zudem fällt auf, wie sehr die Wölfe an Truppenübungsplätzen förmlich zu „kleben“ scheinen. Von einer „rasanten“ oder gar „unkontrollierten“ Vermehrung – das häufigste Schlagwort im Wolfsgeschehen – kann keine Rede sein.

Ich bin überzeugt, die Populationsdynamik wird energisch „kontrolliert“ durch illegale Abschüsse. Mir gibt sehr zu denken, dass bei vielen der tot aufgefundenen Wölfe, die am Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin angeliefert werden (größtenteils Verkehrsopfer), bei genauer forensischer Untersuchung alte Schussverletzungen zu Tage treten. Das IZW will darüber demnächst berichten.

Die Jägerschaft wird es mir übel nehmen, dass ich den Großteil der Verluste an Wölfen nicht beim Straßenverkehr, sondern bei der Grünen Gilde verorte. Andererseits: Wären die Jäger so schießgeil, wie es ihnen zuweilen vorgehalten wird, hätten wir keine Wölfe in Deutschland. Ein Widerspruch? Nein. Bei der hohen Jägerdichte in unserem Land und den langen Jagdzeiten braucht es nicht viele, die den Finger krumm machen, wenn ein Isegrim am Hochsitz vorbei kommt, um Wachstum und Ausbreitung der Population empfindlich zu treffen. Überall auf der Welt, wo Wölfe vorkommen, werden sie gejagt – legal, illegal, meistens beides. Das ist schon lange so und wird sich nicht ändern.

Da tröstet und ermuntert’s mich, wie viele Jäger sich inzwischen mit Isegrim arrangieren, seiner Rückkehr sogar immer mehr Positives abgewinnen. Ein prominentes Beispiel ist der Jäger Eckhard Fuhr. Ich erinnere mich noch gut an unsere ersten Gespräche über Wölfe: Eckhard hatte reichlich Vorurteile gegen die Grauen und noch mehr gegen die Wolfsfreunde. In seinem soeben erschienenen Buch „Rückkehr der Wölfe“ schreibt er: „Die Wölfe eröffnen uns die Chance, in unserem Naturverständnis klüger, ehrlicher und realistischer zu werden.“ Das liest sich wie das Bekenntnis eines Bekehrten. Ich kann Ihnen die Lektüre (siehe Bücher & Information) nur wärmstens empfehlen.

Worauf ich Sie sonst noch aufmerksam machen will: den Disput mit Lars Dettmann über Wolfszahlen; das Nachspiel zur „Petition der 10.000“ in Sachsen; und auf Gedanken zur Bildung von so genannten Angstrudeln beim Rotwild. Bleiben Sie Wolfsite treu – und diskutieren Sie mit!

Unterschrift UW