Spekulationen und Denkfehler

Spekulationen und Denkfehler

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20.09.2014

8.986 Unterschriften (manche sprechen von über 10.000) sind von den Schäfermeistern Manfred Horn und Eberhard Klose in Sachsen für eine „Petition gegen die unkontrollierte Ausbreitung der Wölfe“ gesammelt und am 31. Januar 2013 dem Landtag übergeben worden. Eineinhalb Jahre hat die Antwort des Sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) auf sich warten lassen. Wen wundert’s – die Landtagswahl stand bevor, da wollte sich kein Politiker bewegen. Außerdem entdeckten einige Landespolitiker wieder einmal den Wolf als Köder für den Stimmenfang. Im SMUL hatte man alle Mühe, diverse Vorstöße abzuwenden, die eine Lockerung der Schutzbestimmungen zum Ziel hatten.

Die Petition wurde an die neue Staatsregierung überwiesen, was bedeutet, dass sich der (neue) Landtag der Sache annehmen muss. Mit dem Vorgang befasst sich nun auch Prof. Dr. Dr. Sven Herzog, Professor für Wildbiologie in Tharandt, in der Jagdzeitschrift Unsere Jagd, September 2014. Zu dieser „Befassung“ gibt es einiges anzumerken.

Aber zunächst zur Petition. Sie besteht zu einem großen Teil aus der Wiederholung klischeehafter Vorbehalte gegen Wölfe und aus unhaltbaren rechtlichen Vorstellungen zu ihrem Schutzstatus, einschließlich Forderungen nach Abschüssen. Darüber hinaus stellen die Verfasser anzügliche Fragen, z. B. wer „Reisen nach Kanada“ bezahlt habe oder warum die Wolfszahlen „verschleiert“ würden. Damit sollen offenbar Leute im sächsischen Wolfsmanagement in Misskredit gebracht werden. Die Bevölkerung, so unterstellen die Verfasser, sei in den Managementprozess nicht eingebunden gewesen – da fragt man sich, wer denn die über 50 Verbands- und Interessenvertreter waren, die an den Besprechungen zum Managementplan teilgenommen und ihn (mit Ausnahme des Jagdverbandes, der Vorbehalte geltend gemacht hatte) akzeptiert haben. Das offenbart ein eigenartiges Verständnis von politischen Prozessen in einem demokratischen System. All dies entwertet die Petition und das eigentliche Anliegen der Schäfer, die vor allem eins wollen: volle Entschädigung für Übergriffe von Wölfen und vollen Ersatz der Kosten bei vorbeugenden Maßnahmen. Das ist im Kern gerechtfertigt und leuchtet jedem ein.

Das Ministerium hat sich in seiner späten Antwort viel Mühe gegeben. Auf fünf Seiten geht es auf alle, auch auf einige absurde Vorstellungen und unfreundliche Unterstellungen der Petition ein. Es hat sich ganz und gar nicht, wie ihm von Prof. Herzog vorgehalten wird, hinter einem „fachlich dünnen Managementplan versteckt“. Fachlich dünn – das kann er sich nicht verkneifen, freilich ohne es zu begründen. Zwei Seiten lang zieht er dann, nicht zum ersten Mal, gegen das Wolfsmanagement in Sachsen zu Felde.

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

Prof. Dr. Dr. Sven Herzog

Als erstes nimmt er sich die Forderung der Petition vor, Wölfe unter bestimmten Bedingungen zu eliminieren. Im aktuellen Managementplan 2014, der dieses heiße Thema ausführlich abarbeitet, stellt Prof. Herzog dazu einen „Denkfehler“ fest: Wenn sich Wölfe mal daran gewöhnt hätten, dass Haustiere leichter zu erbeuten sind als Wildtiere, würden sie die Nähe des Menschen suchen und dann auch gefährlich werden. In der Praxis geschieht genau das Gegenteil: Wo Wölfe auftreten, macht man ihnen das Erbeuten von Haustieren zunehmend schwerer. Die Schadensstatistik beweist es. Gutes Wolfsmanagement stellt die Weichen dafür, dass Wölfen schließlich nur noch Wildtiere als Beute bleiben, weil die Haustiere immer besser geschützt werden. Es gibt in der Tat Länder, wo es Wölfen leichter fällt, sich mit Haustieren zu versorgen – weil die Wildtiere so gut wie ausgerottet sind. Dort sind Wölfe auch für Menschen (Tiere hütende Kinder) gefährlich – etwa in Indien oder im Iran. Aber Sachsen liegt woanders. Und deshalb steckt der „Denkfehler“ nicht im Sächsischen Managementplan, sondern im Gedankengebäude von Prof. Herzog.

Wildbiologische Expertisen, behauptet er, würden „ausgegrenzt“, man könne „nur spekulieren, ob dies gezielt geschieht…“ Welche Expertisen das sind, das sagt er nicht, lieber „spekuliert“ er – ist das etwa eine neue wissenschaftliche Arbeitsweise? Es gebe doch, meint er, in Europa „mehrere etablierte, mit umfangreichen Erfahrungen zum Wolf in unterschiedlichsten Regionen ausgestattete wildbiologische Lehrstühle und Institute, die wichtige Beiträge zu Fragen des Managements, der Konfliktlösung, der Seuchenprophylaxe oder der gezielten Vergrämung von Wölfen leisten können“ – ja sicher. Die gibt es. Keines dieser Institute hat es allerdings mit einer Situation zu tun, die mit der unsrigen vergleichbar wäre. Dennoch ist das Sächsische Wolfmanagement mit diesen Instituten in engstem Kontakt, und ausländische Fachleute kommen in zunehmender Zahl nach Sachsen, um sich dessen Wolfsmanagement zeigen zu lassen! Ein deutscher Lehrstuhl, das sei angemerkt, ist nicht darunter, weil sich keiner mit Fragen des Managements von großen Beutegreifern beschäftigt.

Den Jägern empfiehlt Prof. Herzog, sich „nicht zu Handlangern des Monitorings machen zu lassen.“ Da verschlägt’s einem die Sprache. Ist Wolfsmonitoring etwas Anrüchiges? Die Jäger sollten sich stattdessen, regt Prof. Herzog an, „durch praktische Unterstützung der Forschungsarbeiten zur Abschreckung und Vergrämung von Wölfen“ einbringen. Welche sind das? Mir ist jedenfalls nichts bekannt von solchen Ansätzen.

Eine „Lehre“ sei es, so Herzog schließlich, dass die Übernahme des Wolfes ins Sächsische Jagdrecht ein Fehler war. Das liest man mit Genugtuung: Prof. Herzog war ein engagierter Befürworter dieser Übernahme!