Munster: Die Menschen wollen Taten sehen
06.05.2015
Hat man in Hannover den Ernst der Lage erkannt, der durch das ungenierte Auftreten der Munsteraner Wölfe entstanden ist? Es scheint so. Fünf Wochen nach einem Krisentreffen am Ministerium mit etwa 30 Teilnehmern hatte Umweltminister Stefan Wenzel (Die Grünen) am 06.Mai zu einem weiteren Gespräch eingeladen, diesmal mit über 100 Teilnehmern, darunter viele ehrenamtliche Wolfsbetreuer. Der Minister selbst führte in die Wolfs-Problematik in Niedersachsen ein. Er lobte die ehrenamtliche Arbeit der Wolfsbetreuer und den koordinierenden Einsatz der Landesjägerschaft. Gesa Kluth vom Wildbiologischen Büro LUPUS schilderte die Lage in Sachsen, und Jagdverbandspräsident Helmut Damman-Tamke stellte seine Sicht der Dinge dar. Anschließend hatte das Publikum Gelegenheit zu Fragen und Stellungnahmen. Ein Treffen in guter Atmosphäre, hieß es hinterher. Das lag vor allem daran, dass der Minister einige bemerkenswerte Entscheidungen verkündete.
Die eklatanten Personallücken im Wolfs-management werden gefüllt. Am Landesamt (NLWKN) wird ein Wolfsbüro mit drei Vollzeitstellen eingerichtet, das sich u.a. um eine zügige Bearbeitung von Förderanträgen und Schadensfällen kümmern soll. Das Monitoring im Raum Munster wird intensiviert: Büro LUPUS wird auf dem Übungsplatz tätig, außerhalb des Übungsplatzes wird eine zusätzliche Fachkraft eingesetzt. Zu der dringenden Um- oder Neuorganisation des Wolfsmonitorings ließ sich der Minister keine Stellungnahme entlocken. Damman-Tamke räumt immerhin Verbesserungsbedarf ein – die Zukunft wird zeigen, was man im Lande darunter zu verstehen hat.
Schluss mit Phrasen
Da lobt also der Minister den Jagdverband für die „Koordination“ bei den Wolfsgeschehnissen in Niedersachsen – dabei hat man nichts so sehr vermisst wie gerade diese Koordination. Und die ist nicht Sache der Landesjägerschaft, sondern des Ministeriums!
Welche konkreten Maßnahmen sollen nun bei dem verhaltensauffälligen Munsteraner Rudel getroffen werden? Darüber war in Hannover nichts Handfestes zu vernehmen. Es gilt inzwischen als unbestritten, dass die Wölfe an Menschen gewöhnt (habituiert), wahrscheinlich sogar futterkonditioniert sind und deshalb den Menschen regelrecht nachgehen in der Erwartung, einen Happen zu bekommen. Dies müsste Ausgangspunkt des Handelns sein. Und das heißt: Unverzüglich Besendern und Vergrämen. Damit hat man sich schon viel zu lange Zeit gelassen. Aber Niedersachsen ist dafür nicht gerüstet: Es ist keine Eingreiftruppe nominiert, die das machen soll, die bürokratischen Hürden sind nicht beseitigt, die einem raschen Zugriff im Wege stehen, wenn sich eine Gelegenheit bietet.
Inzwischen ist ein großer Scherbenhaufen angewachsen. Die Bevölkerung lässt sich nicht mehr mit Phrasen abspeisen, etwa der Wolf sei scheu und meide den Menschen, sondern sie fragt sich, wie ernst es den Verantwortlichen mit dem plakativen Bekenntnis ist, die Sicherheit des Menschen stehe an oberster Stelle. Sie will Taten sehen.
Manche verstehen unter „Taten“ gleich die finale „Lösung“ – den Abschuss. Und machen dabei gerne den zweiten oder dritten Schritt vor dem ersten. Nicht nur erklärte Wolfsgegner wittern eine Chance, sich der ungeliebten Wölfe zu entledigen. Unverdrossen fordern auch immer mehr Jagdfunktionäre die Übernahme des Wolfes ins Jagdrecht – womit sie nichts gewinnen können; denn der Schutzstatus wird dadurch ja in keiner Weise angetastet. Sogar ausgewiesene Wolfsfreunde spielen mit der Option „notfalls das ganze Munsterrudel zu eliminieren“, wie der Verein freilebender Wölfe in einem Positionspapier auf seiner Website vom 12.05.2015 zum Besten gibt.
Diesem Ansinnen muss energisch entgegen getreten werden: Die Eliminierung eines Wolfes kommt nicht in Frage, solange er sich nicht aggressiv gegenüber Menschen verhalten hat. Und das ist bisher in keinem einzigen Fall beobachtet worden. Lästig ja. Aggressiv bzw. gefährlich nein. Leider ist das Ministerium dem Missverständnis bisher nicht entgegen getreten, dass man einen Wolf schon erschießen kann, wenn er „nur“ bettelt. Auch hat man einem Gerede von einer „Regulation“ – die sich immer auf die Population bezieht, nicht auf die Eliminierung eines problematischen Einzelwolfes – Tür und Tor geöffnet.
Zu der dubiosen „Wolfsattacke“ auf einen Jäger zu Ostern wollte das Ministerium schon vor etwa vier Wochen eine eigene Stellungnahme abgeben. Darauf wartet die Öffentlichkeit immer noch. Was eigentlich versteht man im Umweltministerium in Hannover unter „Öffentlichkeitsarbeit?“ Etwa Aussitzen und Geheimniskrämerei?
Schließlich hat der Minister noch angekündigt, bei der nächsten Konferenz der Landesumweltminister eine bundesweite Melde- und Dokumentationsstelle für den Wolf einzufordern. Also das immer dringlicher geforderte Kompetenzzentrum? Das scheint im Bundesministerium bereits abgemacht zu sein, und das ist gut so. Aber ein Kompetenzzentrum ist nicht bloß eine Datensammelstelle. Und es entbindet die Länder nicht von ihren Aufgaben. Es wäre gar zu einfach, die Pflichten einfach eine Ebene höher hinauf zu schieben. Was uns an allen Ecken und Enden fehlt, ist Sachverstand in Sachen Wolf. Der lässt sich nicht von heute auf morgen herbeizaubern.
Es bleibt immer noch viel, sehr viel zu tun. Und das gilt nicht nur für Niedersachsen. Auch in anderen Ländern hält das Management nicht Schritt mit der Dynamik der Wolfsrückkehr.
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