Kopfabschneider in Lieberose

Kopfabschneider in Lieberose

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Totgeschossen und im Rapsfeld entsorgt

Totgeschossen und im Rapsfeld entsorgt: die Wölfin bei Halbendorf in Sachsen. Foto LUPUS.

25.08.2014

Am 13.07.2014 wurde bei Halbendorf, Sachsen, eine einjährige Wölfin totgeschossen aufgefunden. Die näheren Umstände sind unklar, wie immer. Das macht allein in Sachsen drei illegale Abschüsse in sieben Monaten. Im Dezember 2013 war ein Welpe bei Hermsdorf (Kreis Bautzen), im März 2014 der Rüde des Daubitzer Rudels bei Weißkeißel (Kreis Görlitz) geschossen worden.

Am 9. August wurde nun auch in Brandenburg ein erschossener Wolf gefunden. Der 27 kg schwere Rüde wurde mit Blattschuss erlegt, der Kopf abgetrennt und der Kadaver gut einsehbar an einem Naturschutzschild bei Lieberose abgelegt.

Geköpft zur Schau gestellt: Geschossener Wolfsrüde in Lieberose.

Geköpft zur Schau gestellt: Geschossener Wolfsrüde in Lieberose.

Die Zahl bekannt gewordener (!) Wolfstötungen seit dem Jahr 2000 erhöht sich damit auf zwölf. Elf Tiere wurden erschossen, einer wurde absichtlich überfahren. Nur in drei Fällen konnte der Täter dingfest gemacht werden. In einem Fall wurde nicht einmal ein Verfahren gegen den Schützen eröffnet.

Was treibt einen Kopfabschneider um?

Der totgeschossene Wolf bei Lieberose erhitzt die Gemüter ganz besonders, weil ihm der Kopf abgetrennt wurde. Die Erregung über das Atavistische des Kopfabschneidens ist fast größer als über die Tötung des Tieres an sich. Eigenartig – berichten doch die Medien Jahr für Jahr eher freundlich über die jagdlichen Hegeschauen, und da hängen Hunderte von Schädeln an den Wänden, freilich mit einem Geweih oben drauf.
Da sei ein Trophäensammler am Werk gewesen, meint der Präsident des Brandenburger Landesamtes für Umweltschutz Matthias Freude und spricht von einer „neuen Qualität“. Für den bekennenden Jäger Eckhard Fuhr ist das eine oberflächliche Einschätzung. In einem Essay in der Welt vom 13.08.2014 meint er, damit werde nur das Feindbild Trophäenjagd aufgeworfen. Im Übrigen macht er aus seinem Abscheu gegenüber dem „Weidegenossen“ von Lieberose kein Hehl.

So wie der erschossene kopflose Wolf leicht einsehbar neben einem Naturschutzschild abgelegt worden war, denkt man an einen demonstrativen Akt, eine gezielte Provokation. Wir wollen keine Wölfe, jetzt zeigen wir Euch, wo der Hammer hängt – ist das die Botschaft? Neu wäre das allerdings nicht. Vor zwei Jahren wurde eine geschossene Luchsin im Bayerischen Wald unmittelbar neben einem Wanderweg hingelegt. Und am Grab des Wildschützen Jennerwein wird bis heute an seinem Todestag immer wieder mal ein frisch gewilderter Gamskopf deponiert. Sind das nicht Symbole eines Aufbegehrens gegen die Staatsgewalt? Gegen Behördenwillkür? Gegen den Naturschutz? Das wäre in der Tat eine neue, eine beunruhigende Dimension. Denn Brandenburg hat seit zwei Jahren einen Managementplan, und der Jagdverband hat daran konstruktiv mitgearbeitet. Offenbar sind aber manche Jäger mit dem Ergebnis nicht einverstanden. Dass der Wolf bei Lieberose von einem Jäger erschossen wurde, kann man im Übrigen ebenso wenig bezweifeln wie bei den anderen erschossenen Wölfen. Wer außer Jägern ist schon mit einer Schusswaffe draußen unterwegs.

Trophäenleidenschaft als Motiv der Tat scheint dennoch ziemlich abwegig. Eine Trophäe will man ja herzeigen. Sie soll zurückstrahlen auf den, der sie erbeutet hat. Wie soll das gehen, wenn man dafür mehrere Jahre Freiheitsentzug riskiert? Eckhard Fuhr schließt das Trophäenmotiv schon deshalb aus, weil sich kein Präparator fände, der zu solcher Hehlertat bereit wäre – aber erstens wäre ich da nicht so sicher, und zweitens lässt sich ein Wolfskopf auch ohne Präparator ziemlich umstandslos als Skelettschädel herrichten. Ich kenne eine ganze Menge Leute, die nicht das Geringste mit Trophäen, ja nicht mal mit Jagd was am Hut haben, und trotzdem die sauber ausgekochten und gebleichten Schädel von allerlei Tieren sammeln. Ich vermute, dass auch der Lieberoser Schütze sich den Schädel als Trophäe angeeignet hat. Vielleicht verschaffen ihm die gesetzeswidrigen Begleitumstände sogar einen zusätzlichen Kick. Man mag das krank im Kopf nennen, aber sowas kommt vor. Menschen sind so – jedenfalls manche.

So traurig aber der Fall Lieberose und die anderen Wolfsabschüsse auch sind – in der allgemeinen öffentlichen Empörung gehen zwei Dinge unter, die mir Mut machen. Zum Einen: Die Empörung ist allumfassend und scheint echt. Wölfe töten ist gesellschaftlich nicht mehr akzeptabel. Jahrhunderte lang hat der Wolf darauf warten müssen. Das ist ein neues, ermutigendes Zeichen.

Zum Anderen: Gerade mal zwölf bekannt gewordene (!) illegale Wolfstötungen in 14 Jahren – das ist wenig gegenüber der Zahl an Welpen, die jedes Jahr geboren werden. Wo aber bleiben die? Wie viele Wölfe werden nach dem Motto Schießen, Schaufeln, Schweigen geschossen und beseitigt? Niemand weiß es. Niemand wird es je erfahren. Und trotzdem: Die Wölfe werden immer mehr! Auch das ist eine gute Nachricht in der schlechten.