Kommt ein junger Wolf gelaufen

Kommt ein junger Wolf gelaufen

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07.03.2017

Wotsch k

In Wolfsgebieten geschieht so etwas alle Tage: Wolf begegnet Mensch. Und nichts passiert. In der Lüneburger Heide in Niedersachsen machte solch eine Begegnung kürzlich Furore. Ein Treckerfahrer hat das Geschehen auf seinem Smartphone aufgenommen. Was sieht man da?

Einen Wolf, der über ein Saatfeld näher kommt. Offenbar will er eine Straße überqueren. Dort aber läuft eine Nordic Walkerin, und die gerät in helle Panik, schreit auf den Wolf ein, der unschlüssig verhofft. Von Aggressivität beim Wolf keine Spur, nicht einmal Neugier. Der Treckerfahrer ruft die Frau an „Nicht laufen, nicht laufen!“, sie „rettet sich“, wie es im Zeitungsbericht heißt, auf den Trecker. Der Fahrer weiß Bescheid, was man tun soll, wenn einem ein Wolf begegnet: Lärm machen, Stöcke und Steine schmeißen, „klatschen Sie in die Hände“ – so ist es in den diversen Merkblättern nachzulesen. Aber woher Stöcke und Steine nehmen, und die Hände braucht er, um sein Smartphone zu bedienen, schreien allerdings kann er, und das tut er, aus Leibeskräften. „Hau ab! Verpiss‘ Dich!“

Hier sei „eine Grenze überschritten“ worden (vom Wolf natürlich), „Handlungsbedarf“ sei angesagt, erklärt ein Wolfsberater. Was für ein „Handlungsbedarf?“

Ich will nicht missverstanden werden. Die Aufregung der Frau nehme ich ernst. Sie hatte Angst, so wie viele andere Menschen in unserem Lande ebenfalls Angst gehabt hätten. Der Treckerfahrer hat die Lage für ernster eingeschätzt als sie war. Aber daraus kann man ihm keinen Vorwurf machen. Was er getan hat, war in Ordnung. Und dass er die Nerven hatte, das Ganze zu dokumentieren – dafür ist ihm herzlich zu danken; denn so kann man sich ein Urteil von dem Geschehen machen.

Aber ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wo da „eine Grenze überschritten“ und „Handlungsbedarf“ angesagt sei.

Man muss sich über solche Empfehlungen nicht wundern. Die Gefahr wird herbei geredet, auch und gerade von ausgewiesenen Wolfskennern, z. B. vom Professor für Wildbiologie Michael Stubbe, der kürzlich in einem Vortrag vor vielen Zuhörern empfahl, in Wolfsgebieten nur noch „mit einem Kantholz“ ausgestattet in den Wald zu gehen.

In wie vielen Wolfsgebieten bin ich schon gewesen – aber ein Mensch mit einem Kantholz ist mir dort nie begegnet. Solche Menschen sind noch viel seltener als Wölfe. Was wir am allerwenigsten brauchen – das ist ein Wolfsmanagement „mit dem Kantholz.“

Unterschrift UW