Geschichte der Wölfe in Westpolen

Geschichte der Wölfe in Westpolen

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06.02.2016

Die westpolnischen Wölfe bilden die andere Hälfte der deutsch-westpolnischen Flachlandpopulation, zu der „unsere“ deutschen Wölfe gehören. Die Geschichte dieser Wölfe ist fast aufs Jahr genauso alt wie die der unseren – und erstaunlich ähnlich. Sabina Nowak und Robert Myslajek haben die Entwicklung von Anfang an verfolgt und nun darüber einen Bericht (in englischer Sprache) http://link.springer.com/journal/13364. veröffentlicht. Hier eine Zusammenfassung.

Sabina Nowak vor einer Wurfhöhle.

Sabina Nowak vor einer Wurfhöhle.

Nach dem II. Weltkrieg war der Bestand der Wölfe in Polen angestiegen (1951: 820 Tiere) und veranlasste die Behörden zu einer Reduktionskampagne, die zwanzig Jahre anhielt. Innerhalb von 18 Jahren wurden ca. 3.300 Wölfe erlegt bzw. gefangen. 1972 wurde die Population nur noch auf etwa 60 Wölfe geschätzt. Wölfe genossen keinerlei Schutz, sie befanden sich sozusagen im rechtsfreien Raum, waren „vogelfrei.“

1975 deutete sich erstmals eine Trendumkehr an: Der Wolf wurde zur jagdbaren Tierart erklärt. Damit war aber lediglich eine symbolische Aufwertung der Tierart verbunden. Sechs Jahr später erhielt er immerhin vier Monate Schonzeit. Aber die jagdliche Nachstellung hielt an. In den folgenden 23 Jahren wurden ca. 2.200 Tiere erlegt. Trotzdem wuchs der Bestand zunächst noch auf 960 Tiere Mitte der 1980er Jahre, und das besetzte Gebiet in Ost- und Südostpolen dehnte sich aus. Dann aber nahm die Population als Folge der Bejagung wieder ab. Westlich der Weichsel (also in Westpolen) waren Wölfe während dieser ganzen Zeit extrem selten oder fehlten ganz.

1995 brachte die Wende: Der Wolf wurde im größten Teil des Landes, 1998 im gesamten Land unter vollkommenen Schutz gestellt. Da nach einer Habitatanalyse von Jedrzejewski et al. (2008) etwa 63% des geeigneten Habitats in Westpolen und den Sudeten liegen, war mit einer raschen Wiederbesiedelung Westpolens zu rechnen. (Freilich war es purer Zufall, dass sich im selben Jahr – 1998 – die ersten beiden Wölfe auf dem Übungsplatz Oberlausitzer Heide in Sachsen dauerhaft einfanden).

Rund 376 km entfernt von der ostpolnischen Quellpopulation begannen also die Wölfe mit der Wiederbesiedelung der westpolnischen Waldgebiete. In den ersten zehn Jahren (2002 – 2012) wuchs der Bestand von nahe Null auf 140 Wölfe in 30 Familien (Rudeln plus territoriale Paare) bei einer Zuwachsrate von 38% pro Jahr. Das Gebiet mit ständiger Wolfspräsenz stieg von 600 auf 10.900 km2 mit einer durchschnittlichen Wolfsdichte von 1.3 Tieren / 100 km2. Der kleinste Abstand zwischen Rudelterritorien sank von 260 auf 25 km.

In den ersten fünf Jahren endete jeder zweite Versuch, sich als Rudel zu etablieren, bereits nach ein bis zwei Jahren. In den zweiten fünf Jahren hielten sich aber vier von fünf Rudeln länger als zwei Jahre. Die Rudelgrößen variierten von zwei bis neun Wölfen, die durchschnittliche Größe der Rudel stieg mit den Jahren von 1.8 auf 4.8 Tiere. Die Wurfgröße lag bei 5.1, die Überlebensrate der Welpen bis Ende November bei 50%.

28 Wölfe wurden tot aufgefunden, das Geschlechterverhältnis war ausgeglichen. 18 (65%) waren Verkehrsopfer, zwei Drittel davon waren Rüden. Sieben Wölfe (25%) wurden gewildert.

Zwölf Jahre nach Beginn der Wiederbesiedelung Westpolens waren im Jahr 2012 etwa 30% des verfügbaren Habitats von 25 Rudeln besetzt.

Robert Myslajek freut sich über einen Wolfsnachweis

Robert Myslajek freut sich über einen Wolfsnachweis

Anmerkung: Im Jahr 2015 wurden 33 Rudel und vier territoriale Paare bestätigt. Die Zuwachsrate der Rudel war bis 2015 mit etwa 30% ebenso hoch wie in Deutschland. Die Wurfgröße liegt hier wie da bei etwa fünf Welpen. Die Mortalität der westpolnischen Wölfe bis Ende November scheint mit etwa 50% jedoch höher. Das könnte erklären, warum die westpolnischen Rudel kleiner sind als die deutschen. uw