Die Angst von Stefan Aust vorm bösen Wolf

Die Angst von Stefan Aust vorm bösen Wolf

14

16.09.2015

„Wenn die Politik den Spuk nicht stoppt, wird das umhegte Kuscheltier wieder zum großen bösen Wolf, hungrig und damit gefährlich – wie es so seine Art ist.“ Mit Spuk meint der bekannte Journalist und Herausgeber der Wochenzeitung WELT Stefan Aust die spontane Rückkehr der Wölfe. Einen Spuk, den unsere Naturschutzgesetze ausdrücklich wünschen, sonst wäre der Wolf ja nicht streng geschützt. Einen Spuk, den sich die Europäische Union auf die Fahnen geschrieben hat. Was treibt Stefan Aust um, dass er auf großer Plattform über die Wölfe und ihre Freunde herfällt?

Nichts Neues treibt ihn um, sondern die alten und ein paar neue Schauergeschichten. Emsig kratzt er die Ereignisse der letzten Monate zusammen, als ob das alles nicht schon x-mal berichtet, durchgekaut und schließlich ad acta gelegt worden sei. Der Journalist Aust hat glatt vergessen, was das langweiligste ist auf der Welt: die Nachricht von gestern.

Wiederholt redet er von „Wolfsansiedlung,“ die gar „zum politischen Ziel so mancher Landesregierung zu werden scheint“ – wohlgemerkt: „Ansiedlung“ wäre ein aktiver menschlicher Handlungsakt und nicht das, was wir in der Tat erleben: eine spontane Rückkehr der Wölfe, ohne jegliche menschliche Unterstützung. Ich wundere mich, dass ein Journalist von der Reputation eines Stefan Aust so leichtfertig mit der Sprache umgeht. Oder ist das Absicht?

Absicht ist es ohne Zweifel, dass in seinem Text Menschen mit intellektuellem Gewicht nicht vorkommen, und Fachleute schon gar nicht. Auch der von ihm genannte Valerius Geist ist kein Wolfsbiologe. Stattdessen wird ein frustrierter niedersächsischer Wolfsbetreuer zitiert, der sich die Frage gefallen lassen müsste, ob er bei der zweitägigen Schulung zum „Wolfsexperten“ (Aust) gepennt hat; denn was er über die Gefährlichkeit von Wölfen von sich gibt, kann er dort schwerlich gelernt haben.

Eine ganze Wolfsindustrie sei entstanden, beklagt Aust – was meint er wohl? Er ärgert sich darüber, dass ein beträchtlicher Teil der Spendeneinnahmen des NABU dem „Märchentier“ zu verdanken sei. Ja Herrgott nochmal – was gibt es eigentlich daran auszusetzen, dass Menschen Geld spenden für wilde Tiere? Wäre es Aust lieber, wenn der Staat die Kosten für Naturschutzmaßnahmen ganz alleine tragen würde? Nein, wahrscheinlich nicht – man darf getrost unterstellen, dass Aust den Schutz von Natur oder Wildtieren für überflüssig hält. Wäre es anders, wäre auch sein Ton ein anderer.

Kleiner Journalist, der ich bin, hätte ich mich mit dem großen Journalisten Stefan Aust gar zu gerne auf einen engagierten Disput über Wölfe eingelassen. Aber schade. Sein Text gibt zu wenig her.

Ulrich Wotschikowsky